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Landeshauptstadt: Höchste Wachsamkeit nach Selbstmordanschlag

Oberstleutnant Eike Gläser ist derzeit in Kundus stationiert: Vom Auftrag, zum Wiederaufbau Afghanistans beizutragen, gibt es keine Abstriche

Stand:

Nachdem er 2006 bereits in Pakistan bei der Hilfsaktion für die Erdbebenopfer eingesetzt war, hat Oberstleutnant Eike Gläser, Pressestabsoffizier des Landeskommandos Potsdam, jetzt im Provincial Reconstruction Team (PRT) – Regionales Wiederaufbauteam – im afghanischen Kundus als „Press and Information Officer“ die Leitung der Medienarbeit übernommen. Die PNN befragten ihn über die Situation im Einsatzgebiet.

Anschläge und Entführungen machen nun auch vor dem deutschen Einsatzgebiet im Norden Afghanistans nicht mehr halt. Welche Situation haben Sie in Kundus vorgefunden?

Nach dem Selbstmordanschlag auf Bundeswehrsoldaten im Mai ist unser Lager stärker befestigt worden und wird intensiv bewacht. Wir schlafen auch nicht mehr in Zelten, sondern in festen Unterkünften, meist in Containern. Bewegungen nach außen werden stärker abgesichert.

Bewegungen nach außen, was bedeutet das?

Unsere Verbindungstrupps fahren in die Gemeinden, um mit den Ortsvorstehern Probleme wie beispielsweise den Wiederaufbau einer zerstörten Schule oder die Wiederingangsetzung der Wasserversorgung zu besprechen. Sie geben die Ergebnisse dann weiter, damit die Arbeiten in Angriff genommen werden können. Unser Team hat eine Doppelspitze, neben einem Oberst der Bundeswehr einen gleichrangigen Beamten des Auswärtigen Amtes, der mit den regierungsgesteuerten Hilfsorganisationen wie der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, aber auch nichtstaatlichen wie der Welthungerhilfe zusammenwirkt.

Davon liest man bei uns zu Hause kaum etwas, dafür um so mehr über Kämpfe, Anschläge und Entführungen ...

Es ist unser und auch mein Problem als Presseoffizier, dies der Öffentlichkeit zu vermitteln. Wir sind hier, um in der UN-Mission International Security Assistance Force (ISAF) den friedlichen Wiederaufbau in Afghanistan abzusichern und zu fördern. Dazu zählt auch die Befähigung der inländischen Armee und Polizei, ihre Aufgaben eigenständig zu lösen. Wir wenden keine Gewalt an, es sei denn, wir würden angegriffen und müssten uns verteidigen. Wir sind nicht in die US-geführte Antiterror-Mission eingebunden. Dennoch lesen unsere Soldaten immer wieder Berichte, die diesen Unterschied negieren.

Das wird die Stimmung nicht gerade aufbessern ...

Die Stimmung unserer Soldaten ist nicht negativ. Zwar hat ihnen der Anschlag auf ihre Kameraden im Mai den Ernst der Lage nochmals vor Augen geführt. Darauf haben sie mit erhöhter Wachsamkeit reagiert, sind aber nach wie vor willens und in der Lage, ihren Auftrag ohne Abstriche zu erfüllen. Wir tun alles, um ihnen dabei zu helfen. So wird über die Familienbetreuungzentren – das des Landeskommandos Potsdam befindet sich in Storkow – ständig Verbindung mit den Angehörigen gehalten. Die Feldpost funktioniert reibungslos, sogar die Übermittlung von Videos ist möglich. Die Soldaten können auch verbilligte Handykarten für das Gespräch nach Hause kaufen.

Viel wird sicher von der Haltung der einheimischen Bevölkerung gegenüber den Bundeswehrsoldaten abhängen ...

Die große Mehrheit der Zivilbevölkerung betrachtet sie weiterhin als Aufbauhelfer und tritt ihnen aufgeschlossen und freundlich gegenüber. Dazu trägt auch die humanitäre Hilfe bei. Unser Rettungszentrum, technisch modern ausgerüstet und personell besetzt wie ein deutsches Kreiskrankenhaus, unterstützt die hiesigen Krankenhäuser bei der Patientenversorgung und übernimmt besonders schwierige Fälle selbst, wie kürzlich das Wiederannähen von abgerissenen Gliedmaßen eines Bombenopfers.

Wie sorgen Sie für die Sicherheit deutscher Zivilisten, insbesondere der Journalisten?

Wer nicht beruflich in Afghanistan zu tun hat, sollte nicht hierher kommen. Die Bundeswehr kann wegen der angespannten Sicherheitslage Journalisten nur noch in eingeschränkter Zahl aufnehmen und für ihre Sicherheit sorgen. Für Medienvertreter, die auf eigene Faust anreisen, besteht ein hohes Risiko. Wir können ihre Hotels nicht absichern und ihnen bei ihren Recherchen im Land keine Eskorte stellen.

Wir erwarten Sie nach Beendigung Ihres Einsatzes wohlbehalten in Potsdam zurück...

Davon gehe ich aus.

Das Gespräch führte Erhart Hohenstein

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