
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Hoffnung auf Bronze
Holger Albrecht fährt als Olympia-Reck-Kampfrichter nach London
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Auf Arbeit hilft Holger Albrecht Patienten mit Depressionen oder Burnout mit Angeboten wie Bogenschießen, Qi Gong oder Drachenbootfahren zurück in die seelische Balance – in seiner Freizeit bewertet der 53-jährige Potsdamer als Kampfrichter die besten Turner der Welt. Und am morgigen Sonntag fliegt er zu den Olympischen Spielen nach London. Der Sporttherapeut und Leiter der Abteilung Therapie an der auf Psychosomatik und stationäre Psychotherapie spezialisierten Heinrich-Heine-Klinik in Neu Fahrland ist Olympia-Kampfrichter für die Kunstturner am Reck – zum zweiten Mal nach Peking. Und wie schon in Peking ist er verantwortlicher Richter fürs Reck, leitet die Riege mit acht Kampfrichtern.
Obwohl er Wettkämpfe auf internationalem Parkett seit mehr als 20 Jahren kennt, ist die Aufregung vor den olympischen Spielen wieder groß, erzählt Albrecht: „Man wird da nicht ruhiger.“ Für den Olympia-Einsatz nimmt er Urlaub, wird aber auch eine Woche von der Arbeit freigestellt: „Sonst wäre das nicht machbar.“ 1989 erwarb der Potsdamer seine erste internationale Trainerlizenz, 1997 war er zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei, 1998 folgte die erste EM, 2008 die Olympia-Premiere. Bei der europäischen Turnunion ist Albrecht mittlerweile als gewähltes Mitglied im technischen Komitee für das Reck verantwortlich, stimmt dort unter anderem die Wettkampfregeln ab.
Und die sind nicht nur kompliziert – sie ändern sich auch relativ oft, wie Albrecht erklärt: Entscheidend für die Bewertung der Turner sind die einzelnen Elemente, die fünf Elementgruppen und jeweils verschiedenen Schwierigkeitsgraden zugeordnet werden. Als Kampfrichter muss Albrecht während der Übung, die normalerweise nicht länger als anderthalb Minuten dauert, genau hinsehen – und die Elemente in einer Kurzschrift notieren: Denn in die von ihm vergebene D-Note gehen nur die zehn schwierigsten Figuren ein. Sieben weitere Kampfrichter bewerten die Ausführung der Übung gleichzeitig mit der E-Note.
Am 28. Juli wird Albrecht zum ersten Mal seinen Platz am Reck-Podest im Greenwich Stadion einnehmen. Am 7. August wird dort der Olympiasieger der Männer gekürt. 20 000 Zuschauer werden dann auf Albrechts Entscheidung warten. Anders als noch in Peking kann der Potsdamer diesmal nicht auf die Videoaufzeichnung zurückgreifen – die kommt nur zum Einsatz, wenn ein Trainer gegen die Bewertung protestieren sollte. „Das ist für mich deutlich schwieriger“, sagt Holger Albrecht.
Auch in der Rolle des Unparteiischen wünscht er den fünf deutschen Turnern Glück. Anmerken lassen will er sich das – zumindest äußerlich – nicht: „Meine Schrift verändert sich deutlich, wenn die Deutschen am Reck sind – und mein Hemd können Sie hinterher wegschmeißen“, verrät er lächelnd. Er hofft auf Bronze. Doch der Kampf um Platz drei hinter den Favoriten China und Japan wird für die Deutschen hart, prophezeit Albrecht. In London kann er die deutschen Turner, die er zuletzt am Donnerstag im Trainingszentrum in Kienbaum besuchte, nur nach den Wettkämpfen sprechen. Als Unparteiischer wohnt er auch nicht im olympischen Dorf. Jana Haase
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