Landeshauptstadt: Hoffnungen am Obelisk
Das Wohnhaus des Architekten Ludwig Persius sollte nach der Wende wieder entstehen
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Portugiesische und italienische Spezialitäten verspricht die Werbung an dem noch aus DDR-Zeit stammenden Kiosk an der Ecke Hegelallee/Schopenhauerstraße. Italienisch anmutende Architektur gab es an dieser Stelle bis zum Artilleriebeschuss bei der Einnahme Potsdams durch die Russen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Granaten trafen das einstige Wohnhaus des „Architekten des Königs“ Ludwig Persius (1803 bis 1845), des einzigen in Potsdam geborenen bedeutenden Architekten.
Der Schinkel-Schüler bezieht sich in seinen Bauten nach eigenem Bekunden auf die „heitere Bauweise der Italiener“.
Wie eine offene Wunde wirkt diese Ecke bis heute. Nach der Wende war die Freude und Erwartung groß, als die Stadt jemanden gefunden zu haben glaubte, der das Persius-Wohnhaus wieder aufbauen wollte.
Potsdams Ex-Stadtbaudirektor Richard Röhrbein erinnert sich: „Da die Stadt nicht selber bauen konnte, fand sie einen Bauträger mit einem sehr attraktiv gelegenen Grundstück auf dem Mühlenberg, direkt am Aufgang östlich des Weinbergs. Dort stand in der DDR-Zeit ein pavillonartiges Fachwerkgebäude, das in der Wendezeit abbrannte. Das Grundstück gehörte zu einem Anwesen an der Gregor-Mendel-Straße. Mit dessen Eigentümer wurde die Stadtverwaltung über einen Tausch einig. Hier oben sollte ein öffentlicher Aussichtspunkt entstehen und unten die Villa Persius.“
Der Eigentümer, der Berliner Rechtsanwalt Michael Schöne, war der Bauträger. Röhrbein: „Er bekam das Grundstück an der Schopenhauerstraße mit der Bauverpflichtung zu einem originalgetreuen Wiederaufbau der Villa Persius.“ Sogar Stadtkonservator Andreas Kalesse habe dieses Vorhaben „als Ausnahmefall“ gut gefunden, denn die Denkmalpfleger halten im Allgemeinen wenig vom Nachbau verloren gegangener Baudenkmale. Der „Ausnahmefall“ schien deshalb gerechtfertigt, weil Ludwig Persius in Potsdam geboren und gewirkt hatte und auch hier gestorben war und weil er als Schöpfer der „klassischen Moderne“ gilt. In dieser Einordnung macht sich bis heute sein Einfluss bemerkbar wie zahlreiche Stadtvillen nach der Wende belegen. Diese neuartigen Mehrfamilienhäuser fügen sich mit ihren Persius“schen Bauformen harmonisch in die Architektur der Potsdamer Vorstädte ein.
Noch heute steht in der Stadtverwaltung ein Modell des Wohnhauses, das ein Modellbauer an der Architekturfakultät der Universität Venedig, der auch Geigenbauer war, kunstfertig hergestellt hatte. Dekan der Fakultät war Augusto Romano Burelli, ein Architekt, der in Potsdam unter anderem Stadtvillen am Neuen Garten, den Heilig-Geist-Park mit dem „Seniorenturm“ und Wohnhäuser im Kirchsteigfeld entworfen hat. Burelli sollte auch den Wiederaufbau des Persius-Wohnhauses leiten. Sein Modell zeigt ein florentinisches Palazzo mit einem „Impluvium-Dach“, also eines, dass sich nach innen senkt. Persius war so begeistert von dieser Dachform, dass er sie nicht nur für sein eigenes Haus verwendete, sondern auch in Klein-Glienicke, bei der Villa Illaire im Park Sanssouci, am Dampfmaschinenhaus für Babelsberg und anderswo. Eine Besonderheit in der Mitte der straßenseitigen Fassade waren die Statuen. Sie standen in verglasten Nischen, so dass das dahinterliegende Treppenhaus Tageslicht abbekam.
Beim Betrachten des maßstabsgerechten Burelli-Modells fällt auf, dass dies nicht mit Fotografien aus der Vorkriegszeit übereinstimmt. Ein Messbildfoto aus dem Jahre 1937 zeigt auf der Sanssouci-Seite einen Turm wie ihn viele Villen in Potsdam haben, auch die nach Entwürfen von Persius. Doch der Ur-Bau des Wohnhauses des Architekten besaß keinen Turm. Friedrich Wilhelm IV., damals noch Kronprinz, wollte eigentlich schon zur Erbauungszeit aus seinem romantischen Anspruch heraus einen Turm haben. Doch obwohl er den Architekten beim Bau von dessen Haus finanziell unterstütze, konnte er seinen Turm-Wunsch nicht durchsetzen. Nach der Vorstellung von Persius sollten Bauten im Inneren der Stadt keinen Turm haben, während bei Villen am Rande oder außerhalb ein Belvedere-Turm als Aussichtspunkt sinnvoll erschien. Nachdem Persius im Alter von nur 42 Jahren gestorben war, bekam sein Haus einige Jahre später doch noch einen Turm. Im Jahre 1853 baute ihn Ludwig Ferdinand Hesse. Vorbild war das Belvedere, das Schinkel für das Schloss Klein-Glienicke entworfen hatte.
Bei den Wiederaufbauplänen in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts spielte die „Turmfrage“, wie Röhrbein berichtet, wiederum eine Rolle: „Die Entscheidung der Ämtern war: den Turm ja – aber nur als transparente Konstruktion, um den Entstehungsprozess zu verdeutlichen – eine wohl salomonisch zu bezeichnende Entscheidung.“ Das Modell aus Venedig jedenfalls zeigt das Gebäude gänzlich ohne Turm.
Doch aus dem Traum des Neuaufbaus des Persius-Wohnhauses wurde nichts. Röhrbein: „Der Bauträger, der bei den Veranstaltungen zum Stadtschloss-Wiederaufbau immer in der ersten Reihe stand, wurde insolvent. Jahrelange Bemühungen waren umsonst gewesen.“
Nun hält den „Schwarzen Peter“ ein neuer Projektentwickler in der Hand, der das gesamte Gebiet vom Konzerthaus, dem Haus der Offiziere der sowjetischen Streitkräfte, bis zur Weinbergstraße, einschließlich des ehemaligen Intershops und jetzigen „Radhauses“ entwickeln möchte. Bis dahin dürfte noch ein steiniger Weg vor ihm liegen, einschließlich der Schaffung von Baurecht. In einer Verwaltungsvorlage unter der Bezeichnung „Am Obelisk“, erarbeitet vom Potsdamer Architekturbüro Neumann, ist für die Ecke Schopenhauerstraße/Hegelallee ausdrücklich vermerkt: „Wiederaufbau Persius Villa für Vereine etc.“ Ob damit der Pflock für das Maß der Neu-Bebauung an dieser Stelle eingeschlagen ist oder ob das Persius-Wohnhaus auf ewig ein Luftschloss bleibt, wird die Zukunft zeigen.
Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.
Günter Schenke
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