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Landeshauptstadt: Höllenhund aus Sandstein

Der Bildhauer Marcus Golter schuf einen modernen Wasserspeier für den Magdeburger Dom – und erhält dafür jetzt den renommierten Peter-Parler-Preis

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Diesem Untier möchte man nicht über den Weg laufen: Gebogene Hauer von Zähnen fletscht die Bestie mit den zwei Köpfen, die Ohren sind angelegt, die Augen stieren gefährlich, die langen Krallen sehen auch nicht gerade vertrauenserweckend aus. Zu besichtigen ist das Fabelwesen – ein moderner Höllenhund – seit wenigen Monaten am Magdeburger Dom. Es handelt sich um einen Wasserspeier, angebracht an prominenter Stelle in acht Metern Höhe direkt neben dem Hauptportal. Entworfen und gehauen hat ihn der Potsdamer Bildhauer Marcus Golter.

Für die Arbeit wird der 47-Jährige am morgigen Donnerstag in Nürnberg mit dem renommierten Peter-Parler-Preis ausgezeichnet. Mit dem Preis prämiert die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Steinmetze alle zwei Jahre hervorragende Denkmal-Bildhauerarbeiten, benannt ist er nach dem Baumeister Peter Parler, als dessen Hauptwerke der Prager Veitsdom und die Karlsbrücke gelten.

Geehrt wird Golter mit dem mit 2000 Euro dotierten Kreativpreis – und zwar gemeinsam mit seinen Bildhauerkollegen Kornelia Thümmel aus Dresden und Martin Roedel aus Halle an der Saale. Die drei Steinkünstler, die Absolventen der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle sind, haben ein Ensemble von insgesamt fünf Wasserspeiern für den Magdeburger Dom geschaffen – die Originale waren im Krieg zerstört worden. Neben dem Höllenhund sind am Dom heute auch ein Flughund, ein Ziegenbock, ein Löwe und ein Fabeltier zu bestaunen.

Von der hohen Qualität der Werke und der guten Zusammenarbeit der Künstlergemeinschaft zeigte sich die Preis-Jury überzeugt: „Alle drei Bildhauer nahmen das Thema des Außenbaus – die mittelalterlichen Vorstellungen von der Dämonenabwehr – auf und gingen dabei weit über eine rekonstruktive Reparatur hinaus“, heißt es in der Jury-Begründung. Und weiter: „Die kraftvollen, expressiven Skulpturen integrieren sich in erkennbar zeitgemäßer Formensprache in das Gesamtbild, ohne den Bestand zu überstrahlen, und erfüllen nebenbei ihren technischen Zweck: die Entwässerung des Portalbereichs.“

Für Marcus Golter ging schon mit dem Auftrag ein Traum in Erfüllung: Es ist nicht nur der erste Wasserspeier, den er entwarf, sondern vor allem seine erste Arbeit für einen mittelalterlichen Dom. Golter lächelt: „Das ist schon toll.“ Die Begeisterung für die großen gotischen Kathedralen habe ihn schließlich überhaupt erst zu seinem Beruf gebracht, erzählt der 47-Jährige: „Deswegen habe ich irgendwann einmal Steinmetz gelernt.“

Ausgeschrieben war der Auftrag deutschlandweit, mehr als 30 Bewerber gab es im Wettbewerbsverfahren, erinnert sich Golter. Bauherr war die öffentliche Stiftung Dome und Schlösser Sachsen-Anhalt, der der Dom gehört. Sie befürwortete auch die Entscheidung für moderne Kunst an dem gotischen Sakralbau. „Das ist der bessere Weg, an historischen Baudenkmälern fehlende Skulpturen zu ergänzen“, findet Golter – ein Seitenhieb auf die Potsdamer Pläne, für das Landtagsschloss Barock-Skulpturen nachhauen zu lassen. Das Geld für die Rekonstruktion der Wasserspeier kam von Edgar Wieske, einem Privatmann aus Hamburg, der die Domsanierung schon seit Jahren unterstützt. Golter hat den 85-jährigen gebürtigen Magdeburger mit einem Halbrelief zu Füßen seines Höllenhundes verewigt.

Die Wasserspeier entstanden vor Ort in der Dombauhütte, berichtet der Bildhauer, dessen eigenes Atelier in der Potsdamer Jägerstraße liegt. Ein halbes Jahr lang dauerte die Arbeit. Eine Herausforderung dabei: Verbliebene Fragmente aus dem 13. Jahrhundert – zum Beispiel eine Tatze – mussten passgenau in die neuen Entwürfe eingearbeitet werden. Ob alles stimmt, teste das Bildhauer-Trio zunächst mit 1:1-Modellen aus Gips. Auch das Einpassen der fertigen Skulpturen aus Obernkirchner Sandstein war ein Balanceakt, berichtet Golter: Zwischen 1,20 und 1,60 Meter lang sind die Wasserspeier, der schwerste Stein wog 700 Kilogramm.

Für Golter ist es bereits der zweite Peter-Parler-Preis: 2007 war er für seine Arbeiten am Hallenser Stadtgottesacker ausgezeichnet worden. Das Langzeitprojekt startete der Bildhauer in den 1990er-Jahren: Er versieht nach und nach die im Krieg zerstörten und zu DDR-Zeiten weiter verwahrlosten Gruft-Bögen mit modernen Reliefs. Nach Ende der Dom-Auftrags hat er dafür jetzt wieder mehr Zeit.

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