Landeshauptstadt: Hören und Sterne sehen Planetarium begann am Freitag seine Hörspielreihe
Innenstadt - Freitagabend. Die Stadt hat sich in Dunkel gehüllt, Straßenlaternen und Leuchtreklamen setzen Lichtpunkte.
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Innenstadt - Freitagabend. Die Stadt hat sich in Dunkel gehüllt, Straßenlaternen und Leuchtreklamen setzen Lichtpunkte. Von Mond und Sternen ist wenig zu sehen, ein breites Wolkenband deckt sie zu. Doch heute sind trotzdem Sterne angesagt : im Planetarium. Ab 20 Uhr soll es unterm Sternenhimmel im „Nachtzug nach Lissabon“ gehen, dank Pascal Mercier und seinem von „Radio Eins“ zum Hörspiel umgestalteten Erfolgsroman.
Die Sternensüchtigen empfängt der romantisch illuminierte Hof der Urania in der Gutenbergstraße 71/72. Doch dann müssen erst einmal drei Stockwerke über ein nicht gerade architekturverdächtiges Treppenhaus erklommen werden. Und schließlich die ersten Fotos von Sternennebeln, fremden Milchstraßen, Supernovas und die Büste des berühmtesten Potsdamer „Sternenguckers“ Bruno Hans Bürgel. Dazu der martialisch anmutende Hinweis: Wer zu spät kommt, wird nicht mehr eingelassen!
Noch aber ist der kreisrunde Raum unter der Planetariumskuppel in ein undefinierbares Blaugrau gehüllt, auch hier kein Stern weit und breit, dafür erst einmal Reklame. Zum Glück nicht für harte Schnäpse oder Dessous, sondern für die Ohrenverwöhner vom RBB-Radio. Endlich wird das Grau zum Nachtblau, die Sterne glühen auf, Hinweise auf Rundfunksendungen, und dann gibt es doch noch einmal Getrappel. Nach der Werbung dürfen die Nachzügler noch in den fast vollständig besetzten Raum. Aber schnell, verlangt die Sprecherstimme. Die Befürchtung, dass niemand zum Nachtzug kommen würde – der Vorverkauf lief lahm an – hat sich als irrig erwiesen. Die Potsdamer lassen sich den besonderen Kick, unter flimmernden Sternen dem Lateinlehrer Raimund Gregorius auf seinen verschlungenen Pfaden von Bern nach und durch Lissabon zu folgen, nicht entgehen. Und die Pfade sind lang und ihnen ist mitunter schwierig zu folgen. Erst gegen halb Zwölf haben die Zuhörer ihr Ziel erreicht.
Wie sich in der Pause, in der Getränke erworben werden können, herausstellt, haben viele das Buch schon gelesen und sind von der Bearbeitung als Hörspiel sehr angetan. Klaus und Evelin Schubert finden zum Beispiel die Figuren durch die Sprecherstimmen sehr gut getroffen. Die beiden genießen die angenehme Atmosphäre und sind voll bei der Sache. Andere lassen zwischendurch die Gedanken schweifen und wer die Wandlung des auf- und untergehenden Mondes verfolgt, stellt fest, dass er fast fünf Wochen unter dem sich immer wieder wandelnden Sternenhimmel zugebracht hat. Für Gregorius sind indessen Wochen und Monate vergangen und für den Arzt Amadeu de Prado, dessen Spuren der Berner Lehrer folgt, sogar ein ganzes Menschenleben.
Man hätte die letzten Worte und die Töne der Musikuntermalung gern für sich ausklingen lassen, leider zerstörte sie die keckernde Sprecherstimme, die etwas unangebracht Frohsinn zu verbreiten versuchte. Man sollte sich diesen Abspann einfach schenken bei den folgenden Veranstaltungen mit Bearbeitungen der Werke von Nobelpreisträger Orhan Pamuk über Max Frischs Biedermann und die Brandstifter bis zum Chinakrimi von Xiaolong.
Potsdam empfängt die Nachtschwärmer um Mitternacht noch immer sternenlos. Die Nebel haben sich nicht gelichtet.
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