Landeshauptstadt: Hülsi und Janni
Archäologie im Vorfeld des Feuerwachen-Baus: Slawischer Friedhof und Bronzezeit-Siedlung an der Türkstraße entdeckt
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Die archäologischen Funde führen nicht zu einer Zeitverzögerung beim Bau der neuen Feuerwache. Also ist der Oberbürgermeister zum Scherzen aufgelegt: „Sie haben den ersten Feuerwehrmann Potsdams gefunden – Hülsi“, berichtet Jann Jakobs in Anspielung auf die berühmte Gletschermumie Ötzi – und natürlich auf Feuerwehrchef Wolfgang Hülsebeck, der erst in der Vorwoche den ersten Spatenstich für seine künftige Arbeitsstätte vollzog.
Das Stadtoberhaupt ließ sich gestern in der Türkstraße von Ärchäologin Jana Vogt das freigelegte Skelett zeigen, das dort unweit der Havel seit 800 Jahren in der feuchten Erde ruht. Freilich findet Jakobs sofort zu einer angemessenen Ernsthaftigkeit zurück. Jedes erkennbare Detail lässt er sich erklären. So handelt es sich der Archäologin zufolge um einen Mann von 40 bis 45 Jahren aus der spätslawischen Besiedlungszeit des 12. Jahrhunderts. Der Tote liegt in gestreckter Rückenlage, die Hände ruhen seitlich am Körper, der Kopf ist nach Westen geneigt. Jakobs bestaunt die gut erhaltenen Zähne, deren Abnutzungsgrad das Alter des Mannes verrät. Das Skelett ist in gutem Zustand, bei einem anderen Toten, „einem Hocker“, sagt Jana Vogt – also jemanden, der mit angewinkelten Beinen begraben wurde – „waren die Knochen schon Torf“.
Die Türkstraße ist archäologisches Verdachtsgebiet. Bevor sie zu einer Zufahrt für die neue Feuerwache ausgebaut wird, durften Archäologen der Cottbuser Firma ArGePro im Auftrag des Kommunalen Immobilien Service (KIS) gezielt nach Vergangenheitsspuren graben. Die Feuerwache selber wird laut KIS- Chef Bernd Richter zu großen Teilen auf 400 Pfählen errichtet, um die darunter vermuteten Bodendenkmale nicht zu stören.
Der Ur-Potsdamer – das Geschlecht ist an der Form der Hüftknochen bestimmbar – wurde offenbar in einem spätslawischen Friedhof begraben. Dafür spreche die geringe Entfernung zur ehemaligen slawischen Burg, dort, wo heute die Heilig-Geist-Kirche steht. Zudem wurden weitere Sandverfärbungen in menschlicher Form gefunden – letzte Spuren dessen, was von einem Menschen übrig bleiben kann. „Das war einmal ein richtiger Mensch“, sagt Jakobs und ist beeindruckt.
Die Archäologin bedauert, dass sie bei dem Skelett keine Grabbeigaben finden konnte. Zudem wurde der Tote ohne damals schon üblichen Baumsarg bestattet. Steine am Corpus könnten aber auf ein Steinbett hindeuten. Bei allem Ernst der Sache, den muss Jakobs nun doch noch bringen: „Es wäre schon schön, wenn der Feuerwehrhelm noch gefunden würde.“
Nach der vollständigen Freilegung kommt das Skelett ins Magazin des Landesamtes für Denkmalschutz in Wünsdorf. „Vielleicht kommt es auch in ein Museum – wenn Potsdam sich Mühe gibt, eines zu bauen“, stichelt Jana Vogt in Richtung Oberbürgermeister, der ihre Spitze aber gezielt überhört. Er interessiert sich nun für die Spuren eines alten freigelegten Bohlenweges, bei dessen Bau im Mittelalter dem Skelett leichte Beschädigungen zugefügt wurden; ein Augenhöhlen-Knochen ist angebrochen. „Wir stehen hier auf einer der ältesten Straßen Potsdams“, betont Jakobs .
Die Archäologen entdeckten auch bronzezeitliche Gruben-Reste aus der Zeit 2000 bis 1000 vor Christus. Darin fand sich Keramik und ein Stück Bronze. Die Siedlung der Bronzezeit-Potsdamer muss groß gewesen sein, sagt Jana Vogt, von der Heilig-Geist-Kirche bis zur Türkstraße. Am Rand der Stadtmauer hat ihr Team zudem die Reste eines bronzezeitlichen Toten gefunden, der dort samt Pferd vergraben wurde. Ein Pferd „war ein Statussymbol“, erklärt die Archäologin, „vielleicht handelte es sich um den Dorfältesten“. Mit anderen Worten, den ersten Oberbürgermeister Potsdams - Janni.
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