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Landeshauptstadt: Hummer am Löffel und Muschelglibber

Fünf Gänge harte Arbeit: Gourmet-Kochkurs für Küchenlaien im Sterne-Hotel Bayrisches Haus

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Fünf Gänge harte Arbeit: Gourmet-Kochkurs für Küchenlaien im Sterne-Hotel Bayrisches Haus Von Sabine Schicketanz Die Jakobsmuschel klemmt. Der winzige Spalt zwischen den beiden Hälften, in dem das Buttermesser steckt, wird allein durch sanftes Hebeln kein bisschen größer. Erst bei kraftvollem Druck lösen sich die Muschelschalen voneinander. Zum Vorschein kommt unförmiger Glibber, der nicht gerade nach einer Köstlichkeit aussieht. Es ist aber eine, zumindest das fast kreisrunde Muskelfleisch, das sorgsam aus dem orangenen Rogensack gelöst und anschließend minutenlang unter fließendem kalten Wasser vom Sand befreit werden muss. Leicht ungläubige Blicke verfolgen Alexander Dressel, als er die Metallschüssel mit dem Jakobsmuschelmuskelfleisch zur Spüle trägt. Dressel kochte einst im Berliner „Borchardt“ für den Kanzler, jetzt ist er Maître im Potsdamer Fünf-Sterne-Hotel Bayrisches Haus und hat sich sechs Laienköche in sein Souterrain-Reich eingeladen, die einen ganzen Tag lang einen Crashkurs der Gourmetküche bekommen. Feine Zurückhaltung ist bei Dressel nicht angesagt. „Und jetzt säubern wir unseren Arbeitsplatz“, verkündet der kräftige Mann mit ebenso kräftiger, dunkler Stimme. Seine Schüler gehorchen aufs Wort. Ohne Zögern befördern sie die Haufen der glibbrigen Muschelmasse in einen Eimer, wischen die Schneidebretter ab. Währenddessen trägt Dressel einen braunen Pappkarton herbei. Was er aus ihm herausnimmt und auf die Küchenplatte legt, gehört zu einem Gourmet-Fünf-Gänge-Menü wohl unweigerlich dazu – das Kochen mit lebenden Hummern, eingeflogen aus Kanada, ist aber jedermanns Sache nicht. Julia Milbradt, die mit ihren Eltern Uwe und Margit aus Hadmersleben bei Magdeburg zum Kochkurs gekommen ist, verzieht beim Anblick der über den Tisch kriechenden Meerestiere das Gesicht. Der Unterweisung von Maître Dressel entzieht sie sich aber nicht: Der Hummer, dessen Scheren, die locker einen menschlichen kleinen Finger durchtrennen könnten, mit Gummiband fixiert sind, bekommt zunächst mit Rollgarn einen Esslöffel auf Bauch und Schwanz gebunden. So bleibt der Schwanz mit dem zarten Fleisch gerade, erklärt Dressel. Auf den nächsten Schritt jedoch verzichtet Julia Milbradt. Einzeln werden die Hummer dreißig Sekunden mit dem Kopf in kochendes Salzwasser getaucht. Das sei der schmerzloseste Tod für die Tiere, versichert der Chefkoch. Die empfindlicheren Kursteilnehmer erinnert er daran, dass Hummer nicht das einzige ehemals Lebendige ist, das für gewöhnlich gegessen wird. „Entweder man möchte es essen oder eben nicht“, sagt Dressel. Zur Entspannung wird nach dem Hummer aber trotzdem erst einmal Gemüse geschält, geschnitten und gebraten. Gelbe Paprika werden geviertelt, aus den roten per Maschine der Saft herausgepresst. Eine leichte Übung, doch schon das fachgerechte Braten der ebenfalls nicht per Hand in hauchdünne Scheiben geschnittenen Auberginen und Zucchini will gelernt sein. „Nicht zu wenig Öl nehmen“, erklärt Dressel, „und die Scheiben immer flach vom Körper weg hineinlegen.“ So gibt es keine schmerzhaften Fettspritzer auf die Hände. Kraftvolle Hände sind gefragt, als der Maître die Lammschulter vom Knochen ablösen lässt. Minutenlang bearbeitet Kochschüler Christian Rüss, Inhaber der Potsdamer Druckerei Rüss, das Stück Fleisch, das später gemeinsam mit dem Lammrücken als „Zweierlei vom Lamm“ auf den Tisch kommen soll. Wie ein Küchenprofi mit seiner Technik und Ausrüstung umgeht, wollte Rüss vor allem bei dem Kurs erfahren – nun kann er es selbst ausprobieren. Und Dressel gönnt den freiwilligen Lehrlingen kaum eine Pause: Tortellini werden aus selbst geknetetem Pastateig geformt und mit Blue Stilton-Käse gefüllt, das Frühlingsgemüse für das Lamm vorbereitet, reichhaltiges Kaffeemousse, zarte Schokoladenblätter und saftiges Ananasragout fürs Dessert gefertigt. Margit Milbradt ist schon zur Halbzeit begeistert. Hilfreich findet sie nicht nur die kleinen Details fürs tägliche Kochen: „Allein mit so einem Hummer in der Küche wäre es mir vorher ein bisschen gruselig geworden.“ Ihre Arbeit bekommen die angehenden Gourmetköche beim Galaessen am Abend serviert. Daneben gegangen ist nichts, findet Maître Dressel: „Wir können mit dem Ergebnis zufrieden sein.“ Das ist, was die Kursteilnehmer angeht, sogar noch untertrieben. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen, dass wir das alles gemacht haben“, sagt Margit Milbradt. Und dass das Jakobsmuschelmuskelfleisch einfach köstlich schmeckt, erstaunt jetzt niemanden mehr.

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