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Ein Potsdamer wurde zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.

© dpa

Hunderte Anrufe, Briefe und E-Mails: Potsdamer Stalker wegen Hassbotschaften zu Geldstrafe verurteilt

Ein 43-Jähriger hatte seine Ex-Frau verfolgt und ihr aufgelauert. Er muss nun 10.800 Euro zahlen. Laut Amtsgericht kam der Mann nur haarscharf an einer Freiheitsstrafe vorbei.

Weil er seine Ex-Partnerin ein Jahr lang mit hunderten Hassbotschaften bombardiert und sie auch regelmäßig verfolgt hat, ist ein 43 Jahre alter Potsdamer zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro verurteilt worden. Das hat das Amtsgericht bei einem Prozess am Montag entschieden. Richterin Hanna Pamer sagte, der Lagerist sei nur „haarscharf“ an einer Freiheitsstrafe vorbeigekommen, auch gemessen an einem inzwischen verschärften Stalking-Strafrecht.

Vorausgegangen war die Schilderung der Ex-Frau, die über die Zeit aussagte, nachdem sie sich nach 19 Jahren und wegen eines neuen Partners von ihrem Mann getrennt hatte. Ständig habe sie von ihm gehässige E-Mails erhalten. „Er schrieb: Bei dir im Bad ist Licht an, du machst dich wohl für den nächsten Mann hübsch?“ Er habe ihr auf Wegen aufgelauert, um sie und ihren neuen Partner beschimpfen zu können. Unter dem Dauerdruck ging auch diese Beziehung in die Brüche. Schließlich musste sich die Frau in psychologische Behandlung begeben.

Dutzende Besuche an der Arbeitsstelle und zu Hause

Allein in der Anklage war von hunderten Anrufen, handgeschriebenen Briefen und E-Mails die Rede, die der Frau gegen ihren Willen zugesandt wurden – sowie von dutzenden Besuchen des Ex-Manns an der Arbeitsstelle oder bei ihr zu Hause. So habe er morgens auch immer vor ihrem Mehrfamilienhaus in Bornstedt gehupt, berichtete sie.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft sprach in seinem Plädoyer davon, der Angeklagte habe seiner Ex-Frau das Leben zur Hölle machen wollen und auch das gemeinsame behinderte Kind gegen sie aufgebracht. Ihr Sohn habe sie sogar geschlagen, so viel Hass habe der Vater gesät, erzählte die betroffene Mutter unter Tränen. Das wertete Richterin Pamer als zusätzlich strafverschärfend.

Der Angeklagte zeigte sich davon weitgehend ungerührt. Zufällig sei man sich über den Weg gelaufen beziehungsweise habe er strittige Dinge zum Unterhalt für den Sohn klären wollen, lautete eine Erklärung für sein Tun. Und: Er habe seine Frau nie geschlagen. Seine Ex-Frau sagte, die Psychospielchen seien viel schlimmer als Gewalt – und sie spielte im Gericht per Handy Mitschnitte ab, wie ihr früherer Mann sie wüst beschimpfte.

Rund 60 solcher Taten pro Jahr

Mit solchen Problemen muss sich die Polizei regelmäßig befassen. Allerdings seien die erfassten Fallzahlen in Potsdam in den vergangenen Jahren ungefähr gleichgeblieben, teilte eine Polizeisprecherin auf PNN-Anfrage mit. So gehe es jeweils um rund 60 Taten pro Jahr, in denen wegen Nachstellung ermittelt werde.

Als allgemeine Handlungsempfehlung raten die Ermittler vor allem zur Konsequenz beim Kontaktabbruch, auf „abschließende Gespräche“ solle man sich nicht einlassen – um keine Hoffnungen zu wecken. Wichtig sei es auch, das gesamte Umfeld inklusive Kollegen zu informieren – und bei akuten Bedrohungen sofort die Polizei zu alarmieren. Auch müsse man sich psychische Probleme im Zuge von Stalking attestieren lassen.

Bei Telefonterror oder Cyberstalking wiederum empfiehlt die Polizei, sich auch vom eigenen Telefon- oder Internetanbieter beraten zu lassen, zum Beispiel zu Themen wie geheimen Rufnummern. Im Gericht hieß es, die betroffene Frau, eine Verkäuferin, habe neue Nummern und Mailadressen einrichten müssen.

Dokumentieren Sie alles, was die Person Ihnen schickt, mitteilt oder unternimmt in einem Kalender.

Polizei Potsdam

Zudem rät die Polizei zur Strafanzeige – auch um Grenzen aufzuzeigen. Verfange das nicht, so die Sprecher, könne man beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung für zum Beispiel ein Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz beantragen. Missachtet ein Stalker so gerichtliche Anordnung, macht er sich strafbar.

Ein weiterer Hinweis der Polizei: „Dokumentieren Sie alles, was die Person Ihnen schickt, mitteilt oder unternimmt in einem Kalender.“ Hier solle man möglichst auch das eigene Umfeld in die Sicherung von Beweisen einbeziehen. Hierzu hat der Weisse Ring, eine Stiftung zur Hilfe für Opfer von Kriminalität, auch eine App für das Smartphone entwickelt, über die sich so ein Tagebuch einfach führen lässt.

Generell gibt es mehrere Beratungsstellen, zum Beispiel den Verein Opferhilfe im Land Brandenburg. Deren Leiterin Sophie Bootz sagte den PNN, Stalking-Opfer würden sich im Dauerstress befinden, weil viele ihre Peiniger als unberechenbar erlebten und sich hilflos ausgeliefert fühlten. Dazu kämen Schuld- und Schamgefühle, was die Lage erschweren könne – gerade, wenn es um die Frage geht, ob man sich von Verwandten oder Freunden helfen lässt. Weil die Nachstellungen üblicherweise monatelang dauern, könnten sich Belastungsstörungen entwickeln – verbunden mit schlechtem Schlaf, sozialem Rückzug und Angst. Solche Symptome nannte im Gericht auch die Ex-Frau.

Das Sicherheitsgefühl wiederherstellen

Die Gefahren durch solche Attacken würden immer noch unterschätzt, sagte Bootz. Daher fühlten sich Opfer teilweise allein gelassen, selbst von Gerichten oder Polizei. In der Beratung versuche man das Sicherheitsgefühl für die Betroffenen wiederherzustellen – wobei man aber kein „schnelles Abstellen“ solchen Verhaltens versprechen könne. Aber man könne über Hintergründe aufklären, also über die Persönlichkeitsstruktur solcher Täter.

Bootz sprach von einer „obsessiven Fixierung“ auf die Opfer: „Durch diese gedankliche und emotionale Besessenheit ist die Wahrnehmung des Stalkers meist verzerrt.“ Dabei sei das Ex-Partner-Stalking am Verbreitesten – also ein gekränkter Ex-Partner, der eine Trennung nicht akzeptiere. Mit Aufklärung könnten sich die Betroffenen wieder handlungsfähiger fühlen. Im Gespräch erarbeite man eine individuelle Sicherheitsstrategie. Das könne auch rein defensives Verhalten sein statt dem klassischen Kontaktverbot, machte Bootz deutlich.

Im Fall, der nun am Amtsgericht verhandelt wurde, haben Gegenstrategie bisher nur bedingt gefruchtet. Die betroffene Frau zeigte etliche Briefe, die auch in jüngster Zeit noch eingegangen seien. Und sagte: „Ich glaube nicht, dass er aufhört.“ Richterin Pamer warnte, sollte der Mann erneut verurteilt werden, bleibe es nicht bei der Geldstrafe.

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