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MEINE Woche: Hunger-Träume

Das Abitur ist geschafft, doch die süße Freiheit ohne Schule währte nur kurz. Holt euch bloß nicht wie ich nach ein paar Wochen gleich einen Job, sondern genießt das köstliche Chaos nach dem Abi-Stress.

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Das Abitur ist geschafft, doch die süße Freiheit ohne Schule währte nur kurz. Holt euch bloß nicht wie ich nach ein paar Wochen gleich einen Job, sondern genießt das köstliche Chaos nach dem Abi-Stress.

Ich arbeite jetzt 30 Stunden die Woche in einem Bäckerladen in Berlin. Gute Arbeit, gutes Geld. Aber auf Dauer nervt es, ich stehe früh auf und komme nicht mal mehr dazu, etwas zu essen. Was nicht nur an der Zeit liegt. Im Rathaus kostet die aktuelle Meldebescheinigung für meinen Arbeitsvertrag fünf Euro, ich bin aber schon mit 80 Euro im Minus und das Sparkonto gähnt mir Leere entgegen. So stehe ich völlig pleite im „Frischebäcker“ und habe noch nichts gegessen. Ständig verkaufe ich alle Köstlichkeiten und darf mir nichts davon nehmen. Es sei denn, ich zahle, aber ich bin ja pleite. Doch wenn keine Kollegin und keine Kundschaft da ist, gibt’s wenigstens die Chance mit einem Griff in die Auslage ein Krümelchen überbackenen Käse in meinem Mund wandern zu lassen. Dann tigere ich in die Nähe der Kaffeemaschine um wenigstens ein Päckchen Zucker und eine Kondensmilch als Mahlzeit-Ersatz zu mir zu nehmen. Wie schön ist es, sich für jede Kleinigkeiten selbst zu bemitleiden. Ich beginne richtig zu schweben – Traum oder Halluzination wegen Nahrungsmangel, wer weiß das schon. Zur Tür hinein kommen die Beatles und singen „Across the Universe“. Sie eskortieren Scarlett Johansson. Diese geht durch den Tresen wie durch Luft und ergreift meine Hand. Und dann fliegen wir davon, wir zwei beide. Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden.

Justin Schimmerohn ist 19 Jahre alt und wohnt in Potsdam.

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