
© Andreas Klaer
Von Günter Schenke: „Ich bin der Mund – ich das Außenohr“
An Brandenburgs einziger Spezialschule für Hörgeschädigte sorgen Techniker für Klang in den Ohren
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Der Laden für Hörgeräte in der Poliklinik des Klinikums Ernst von Bergmann wandelte sich gestern Vormittag zum kleinen Theatersaal. Auf der Bühne standen Schüler der Wilhelm-von-Türk-Schule mit dem Förderschwerpunkt „Hören und Sprache“. „Ich bin der Mund“, so die Botschaft einer weiß gekleideten Gestalt. „Ich bin das Außenohr“, meldet sich eine zweite. So geht es weiter über die Gehörknöchelchen und die Schnecke des Innenohrs bis zum krönenden Abschluss im Gehirn: „Der Hörnerv hat mir Informationen gegeben.“ Das Spiel zeigt den Vorgang des Hörens und ein anderes einen Sketch darüber, welche Probleme Menschen haben, bei denen das Hören nicht so recht klappt: „Ich brauche Gebärden, ich weiß oft nicht, woher die Geräusche kommen, ich kann keine Reimwörter erkennen.“
Die Förderschule und Hörgeräte Klaper in der Hebbelstraße 1 schlossen gestern eine Vereinbarung, in der steht, wie die Hör-Spezialisten den Schülern helfen, ihre Probleme zu minimieren. Schülersprecherin Christin Hackensellner: „Das bringt für uns den Vorteil, dass die Mitarbeiter in die Schule kommen, um die Hörgeräte einzustellen.“ Besonders für die Kleinen sei das wichtig, erklärt die Sprecherin, die die zehnte Klasse besucht und in diesem Jahr eine Ausbildung als Industriemechaniker beginnen will.
„Frau Klaper ist immer für uns und unsere Ohren da“, erklärte Schulleiterin Uta Klapp. Jeden Mittwochvormittag würden zwei Mitarbeiterinnen des Unternehmens vor Ort sein und die notwendigen Dienstleistungen ausführen: Ohrpassstücke anfertigen, Batterien oder Schläuche einsetzen und neue Hörgeräte einstellen. Der Unterricht in der Förderschule trägt der Hör- und Sprachschädigung durch geringere Schülerzahlen in den Klassen Rechnung. Die Lehrer verfügen über eine sonderpädagogische Ausbildung; die Unterrichtsräume sind speziell störschallgedämmt. Eine zusätzliche Sprache, die Deutsche Gebärdensprache, gehört zum Programm.
Seit 2009 unterrichtet die Wilhelm- von-Türk-Schule Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf für „Hören“ und „Sprache“. Bis dahin existierten am Standort Bisamkiez im Wohngebiet Schlaatz zwei nach diesen Schwerpunkten getrennte Schulen. Die Türk-Schule ist die einzige im Land Brandenburg mit diesen Angeboten.
Firmenchefin Julia Klaper, die das Hörgerätegeschäft in Potsdam seit 18 Jahren betreibt, bedankte sich bei den Türk-Schülern nicht nur für die Theateraufführung, sondern auch für die Dekorationen, welche die Kinder für das Schaufenster ihres Geschäftes von Zeit zu Zeit basteln. Klaper hat ursprünglich an der Humboldt-Universität ein Studium als Diplomingenieurin abgeschlossen. Nach der Wende orientierte sie sich beruflich neu und ließ sich zur Hörgeräteakustikmeisterin ausbilden. Ihr Unternehmen beschäftigt siebzehn Mitarbeiterinnen. „Viele habe ich selbst ausgebildet“, sagte die Meisterin des Gesundheitshandwerks.
Bei einem Test ließen die Schüler auf dem Xylophon Melodien erklingen. Wer richtig geraten hatte, bekam einen Orden. „Gut gehört,“ stand zum Beispiel darauf. „Jetzt kommt etwas ganz Schweres“, hieß es zum Schluss und zwei Schüler bearbeiteten den Klangkörper und es erklang kein Kinderlied. Des Musikrätsels Lösung: „Freude schöner Götterfunken“. Das ist von Ludwig van Beethoven – er hat es komponiert, als er schon taub war.
Günter Schenke
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