
© Andreas Klaer
ZUR PERSON: „Ich bin kein Büromensch“
Potsdams Stadtfilmerin Jana Marsik spricht über Erwartungen, Experimente und Geld
Stand:
Jana Marsik, Sie waren ein Jahr lang Stadtfilmerin von Potsdam. Wenn Sie an Ihre Erlebnisse in diesem „Amt“ denken: Könnte man daraus eher eine Komödie, ein Road-Movie oder ein Drama machen?
Schwierige Frage ... einen Experimentalfilm vielleicht.
Am Freitagabend werden Ergebnisse dieses Experimentes im HFF-Kino gezeigt: Ausschnitte aus den vier Filmen, die Studenten erarbeitet haben. Als 2008 klar wurde, dass die Stadtfilmerin gar keinen eigenen Film machen würde, haben sich viele gewundert. Warum haben Sie diesen Weg gewählt?
Ich wusste, dass ich es in neun Monaten nicht schaffen kann, einen kompletten eigenen Film herzustellen. Also habe ich mich für die Arbeit mit Studenten entschieden. Ich dachte, es wäre doch toll, wenn mehrere Filme mit verschiedenen Blickwinkeln entstehen. Dabei war mir ganz wichtig, dass es keine Einschränkungen gibt, kein festes Format, keine vorgeschriebene Länge, nichts außer dem Thema „Wissenschaft“.
Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?
Sehr. Es sind wirklich ganz unterschiedliche Filme geworden. Da gibt es „Rheingold“, einen neunzigminütigen Schwarzweißfilm, eine Episodengeschichte, wo das Thema Wissenschaft eher philosophisch betrachtet wird. Daneben steht dann der Dokumentarfilm „Östlich der Sonne“, gedreht im sibirischen Tiksi. Dort hat Andreas Hartmann Klimaforscher vom Alfred-Wegener-Institut mit der Kamera begleitet. Er behandelt das Thema Wissenschaft also konkret. Er hat wirklich eine Entdeckungsreise gemacht, mit der Kamera. In Tanja Bubbels Film geht es um Frauenfußball, aber nicht nur um Turbine Potsdam, das wäre zu einseitig, deshalb gibt es bei ihr auch Protagonistinnen aus dem Ruhrgebiet.
Was hat das Ruhrgebiet mit Potsdam zu tun?
Der Grundgedanke war, den Unterschied von Ost und West zu zeigen. Frauenfußball ist ja auf jeden Fall ein Teil von Potsdams Kultur und es ist auch Sportwissenschaft. Und Johannes Leisen schließlich hat Blinde interviewt. Da geht es um die menschliche Wahrnehmung und um die Frage, wie ein Bild entsteht. Das ist dann wieder fast eine wissenschaftliche Suche im Film. Gerade bei Andreas Hartmann und Johannes Leisen hatte ich das Gefühl, dass sie das nutzen und sich einfach ausprobieren: Wenn es in die Hose geht, dann geht es eben in die Hose. Ist es aber nicht. Und gerade das ist das Tolle an dem ganzen Projekt, dass auf diese Art und Weise wie nebenbei etwas entstehen kann.
Wie haben Sie die Regisseure gefunden?
Anfangs habe ich die Professoren an der HFF um Unterstützung gebeten. Aber meine Ideen mit der Stadtfilmerei passten überhaupt nicht in die Lehrpläne. Ich wollte eigentlich einen festen Termin, so eine Art Stadtfilmerseminar ein- oder zweimal pro Woche. Aber das klappte nicht.
Warum?
Es war allein schon schwierig, die Studenten dafür zu gewinnen. Der Lehrplan ist so voll, die haben gar keine Zeit, die haben im Grundstudium von morgens bis abends Unterricht. Ich habe dann Aushänge in der Hochschule gemacht und irgendwann haben sich dann doch Studenten mit ihren Ideen gemeldet. Wir haben letztendlich aus zehn bis zwölf Konzepten vier ausgewählt. Ein anderes Problem war die Finanzierung.
Es gab neun Monate lang ein Stipendium von 1500 Euro von Vattenfall und Pro Potsdam sponserte eine Wohnung in der Brandenburger Vorstadt
Das klingt erstmal viel. Aber ich hätte ja nicht für neun Monate meine Berliner Wohnung aufgeben können. Und ich kann auch nicht allein von 1500 Euro brutto im Monat leben. Das bedeutet: Ich musste nebenbei arbeiten. Deshalb habe ich von Anfang an gesagt: Ich gebe den Studenten, was ich geben kann, aber ich kann meine eigenen Projekte als Kamerafrau in dieser Zeit nicht absagen. Aber auch die Studentenfilme mussten finanziert werden. In der Planungsphase war überhaupt nicht klar, wie das alles vonstatten gehen soll. Irgendwie gab es diese Erwartung, dass es Geld von außen gibt - aber die erwartete Förderung kam nicht. Daraufhin hat dann die HFF das Geld aus eigenen Töpfen hervorgezaubert und die Filme durchfinanziert. Das fand ich sehr gut, das war sehr kooperativ. Auch manche Studenten haben auch noch geholfen bei der Finanzierung.
Die Studenten haben die Filme aus eigener Tasche bezahlt?
Nein, aber sie haben ihre Scheine dafür genutzt. Wenn HFF-Studenten ihr Diplom oder einen Jahresabschlussfilm machen, dann kriegen sie automatisch ein Budget von der Hochschule. Nur so konnten die Filme überhaupt entstehen.
Für eine Neuauflage des Stadtfilmer-Projektes müsste also die Finanzierung überdacht werden?
Ich glaube, man muss die Frage noch anders stellen. Man müsste klären, was will man von einem Stadtfilmer überhaupt? Ich habe immer wieder zu spüren bekommen, dass die Bürger nicht genau wussten: Was macht die jetzt eigentlich?
Es gab ja keine Vorbilder für den Job.
Genau. Ich bekam verschiedenste Anfragen und sogar Einladungen von Kulturveranstaltern, ob ich nicht mal kommen und filmen könnte. Die HFF hat mir ein eigenes Büro angeboten, aber was sollte ich denn da machen? Ich bin ja kein Büromensch, ich bin Filmemacher. Das hat mir schon ein bisschen zu schaffen gemacht, denn ich wollte einerseits meiner Rolle gerecht werden, hatte aber auch mein eigenes Konzept. Das war so eine Diskrepanz, eine Frage, über die ich gerne eine offene Diskussion mit der Stadt führen würde: Was genau wünscht man sich von einem Stadtfilmer? Gibt es ein Budget, damit er einen eigenen Film machen kann, oder soll er wie ein Chronist Veranstaltungen kommentieren oder dokumentieren, ein Videoarchiv erstellen? Oder soll er Menschen aus Potsdam vor die Kamera holen und sie sprechen lassen?
Wie haben Sie die Frage für sich beantwortet?
Ich wollte etwas ermöglichen - und in dieser Rolle habe ich mich dann auch sehr wohl gefühlt. Die Studenten haben ihre Ideen entwickelt, wir haben uns immer wieder getroffen, standen auch in Mailkontakt, wenn ich mit eigenen Projekten unterwegs war. Andreas Pieper, der „Rheingold“ gedreht hat, habe ich besonders in der Vorbereitungsphase zu Rate gestanden, wir haben uns zum Beispiel zusammen Drehorte in Potsdam angeschaut. Tanja Bubbel mit ihrer Fußballdokumentation hat mich beim Schnitt um meine Meinung gefragt. Ich hatte eine beratende Funktion, aber letztendlich haben die Studenten ihre Filme so gemacht, wie sie das für richtig halten.
Wird Ihr Name im Abspann vorkommen?
Darum geht es nicht so sehr. Ich freue mich über ein „Danke“, aber die jeweiligen Teams sind wichtiger.
Wann werden die Filme zum ersten Mal in ganzer Länge zu sehen sein?
Die drei Dokumentationen sind jetzt fertig, „Rheingold“ wird hoffentlich im Herbst soweit sein. Aber die Regisseure wollen sich damit jetzt erst bei Festivals bewerben, und dafür dürfen die Filme vorher noch nicht gelaufen sein. Vielleicht wird es im nächsten Jahr mal einen Tag geben, an dem wir alle Filme in Potsdam zeigen werden.
Sie haben während Ihrer Studienzeit an der HFF bereits drei Jahre in Potsdam gelebt. Welche Veränderungen in der Stadt sind Ihnen jetzt am meisten aufgefallen?
Die Sanierungen! Die Stadt ist viel pittoresker, viel sauberer geworden. Ich habe früher diesen latenten Verfall gemocht, ich mag auch die Parkanlagen, das hat so etwas Romantisches. Ich war auch erstaunt, wie sich das Potsdamer Publikum inzwischen verändert hat, es ist gesetzter geworden, es gibt mehr „Zugezogene“. Es gibt auch eine kleinere Subkulturszene als früher, würde ich sagen. Ich bin trotzdem total gerne in Potsdam. Ich fühle mich hier wohl.
Das Gespräch führte Jana Haase
Ausschnitte der vier „Stadtfilme“ werden heute Abend 19 Uhr im HFF-Kino in der Marlene-Dietrich-Allee gezeigt. Neben Jana Marsik sind auch die Filmteams anwesend
Jana Marsik ist Kamerafrau und Potsdams erste Stadtfilmerin. Die 34-jährige gebürtige Kielerin wohnt in Berlin.
Nach ihrem Studium von 1997 bis 2003 an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) arbeitete sie unter anderem mit Regisseur Detlev Buck beim Kinderfilm „Hände weg von Mississippi“ und bei Bucks neuem Film „Same Same But Different“. Der Film mit David Kross („Der Vorleser“) über eine deutsch-kambodschanische Liebesbeziehung feiert am 13. August beim Internationalen Filmfest in Locarno Premiere und soll Ende 2009 ins Kino kommen.
Außerdem verfolgt Marsik eigene Projekte: Ihr Dokumentarfilm „Hand in Hand“ über Freundinnen in Lettland wird im Oktober bei den Internationalen Hofer Filmtagen erstmals gezeigt.
Als „Stadtfilmerin“ hat Jana Marsik 2008 bundesweit Neuland betreten. Das Projekt ist Überbleibsel der gescheiterten Bewerbung Potsdams zur „Stadt der Wissenschaft“. JaHa
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