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Landeshauptstadt: „Ich bin überrascht, wie verbissen gekämpft wird“

Groß Glienickes Ortsbürgermeisterin Doris Maria Langenhoff über Streitkultur, Uferweg und Straßenausbau

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Zu Jahresbeginn 2005 erfolgte in Groß Glienicke ein Wechsel an der Spitze des Ortsbeirats. Doris Maria Langenhoff (SPD) löste den Christdemokraten Hans-Jürgen Merke auf dem Stuhl des Ortsbürgermeisters ab. Nach einem Jahr Amtszeit zieht die Ortsbürgermeisterin nun im PNN-Interview Bilanz.

Sie haben sich nach dem Rücktritt von Herrn Merke zur Wahl zur Ortsbürgermeisterin gestellt. Haben Sie diesen Schritt bereut?

Nein. Eher habe ich bereut, mich nicht schon Ende 2003 der Wahl gestellt zu haben. Es gab ja durch mein Wahlergebnis bei der Ortsbeiratswahl eigentlich dazu einen Auftrag. In Anbetracht der bevorstehenden, ehrenamtlichen Arbeit war ich aber zögerlich, weil Beruf und Familie offensiv dagegen sprachen. Als Jürgen Merke Ende 2004 seinen Rücktritt bekannt gab, war für meine Kandidatur ausschlaggebend, dass er wiederholt ohne den Rückhalt durch den Ortsbeirat agiert und immer wieder die Öffentlichkeit des Seeufers in Frage gestellt hatte. Ich wollte da einen anderen Arbeitsstil einführen und Klientelwirtschaft in unserem Ort keine Chance mehr lassen. Denn Vorfahrt hat für mich zunächst immer das Allgemeinwohl. Heute bin ich allerdings noch immer überrascht, wie viel Arbeit mit dem Amt verbunden ist und wie verbissen in Groß Glienicke auf dem politischen Feld gekämpft wird.

Was hatten Sie sich für das erste Jahr vorgenommen, was davon erreichen können?

Die Infrastruktur im Ortsteil Groß Glienicke entscheidend zu verbessern, sehe ich als die vorrangige Aufgabe an. Da ist vieles über die Jahre hinweg liegen geblieben. Seit Beginn 2005 hat eine Arbeitsgruppe aus Ortsbeirat, Stadtverwaltung und einem Planungsbüro daran gearbeitet, der Plan für den Ausbau der Anliegerstraßen ist im November 2005 fertig geworden. Er sieht niedrige Ausbaustandards mit Mischverkehrsflächen (ohne Bürgersteige und Parkstreifen), Oberflächenentwässerung in Mulden und auf beiden Straßenseiten Grünflächen vor. Doch zuerst musste das Vorkaufsrecht für die von der Bundesanstalt für Immobilien-Angelegenheiten veräußerten Seeufer-Grundstücke gesichert werden, dazu gab es Anfang Februar einen Beschluss. Danach konnte die Ausgestaltung von Badewiese und Waldspielplatz vorangetrieben werden. Wichtig war dabei der Bau des Weges von der Seepromenade zum Badestrand. Nun gibt es endlich einen befestigten und zudem schönen Weg zum See, finanzierbar mit Hilfe privater Spender. Die Grundschule hat ihre neuen Außensportanlagen bekommen, worauf die Kinder zehn Jahre warten mussten. Demnächst wird ein Kleinspielfeld daneben gebaut, das auch für die Allgemeinheit nutzbar sein soll. Ein besonderer Erfolg war das phantastische Dorffest im September. Eigentlich wurde fast alles von dem, was ich mir vorgenommen hatte, erreicht. Das war vor allem durch die gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung möglich. Ich habe die Kommunikation als sehr konstruktiv, kompetent und wohlwollend erlebt.

Groß Glienicke entwickelt sich stetig vom früheren Bauerndorf zur Wohnsiedlung – und das nicht erst seit 1990. Wie kann man Ihrer Meinung nach trotzdem das Gefühl einer Dorfgemeinschaft bewahren?

Mir ist wichtig, dass Groß Glienicke seine besondere Geschichte immer lebendig vor Augen behält, dass Orte und Situationen bewahrt werden, die Groß Glienicke geprägt haben. Hier sind als Beispiel die schöne, alte Dorfkirche und das ehemalige Rittergut mitsamt Gutspark und dem Gutstor zu nennen. Auch das Mauerdenkmal gehört dazu. Ich habe keine Sorge, dass Groß Glienicke seine Geschichte und seine Traditionen verlieren wird. Der Groß Glienicker Kreis und die ständig fortgeschriebene Ortschronik bürgen für den Fortbestand und die Weiterentwicklung des geschichtlichen Wissens. Auch wurde der Wunsch nach einem Heimatmuseum laut. Letztlich sorgen die aktiven Bürger in den vielen Vereinen dafür, dass jeweils ein spezieller Teil von Groß Glienicke wachgehalten und belebt wird.

Das Ufer des Groß Glienicker Sees ist eines der zentralen Themen im Ort, der freie Zugang seit 1989 für die Menschen ein kostbares Gut geworden. Wie sicher ist der weitere Prozess der öffentlichen Gestaltung?

Wir können den vorherigen Gemeindevertretungen nur dankbar sein, dass sie seit 1990 beständig darauf geachtet haben, dass der Zugang zum See frei geblieben ist. Kernstück ist dafür der 1999 abgeschlossene Bebauungsplan, der den ganzen zwei Kilometer langen Seeuferbereich umfasst. Für uns als Ortsbeirat ist der Plan deshalb Auftrag zur weiteren Umsetzung. Das geschieht, indem wir in der Anfang 2005 eingesetzten Planungsgruppe den „Uferpark Groß Glienicke“ als öffentliche Grünfläche konzipieren. Nach dem ersten gelungenen Bereich Badewiese folgt nun die Gestaltung der Südspitze des Sees, dazu trifft sich Anfang Februar 2006 die Planungsgruppe. Wir können also sicher sein, dass es voran geht. Ausdrücklich möchte ich hier betonen, dass der Ortsbeirat in Mehrheit die Öffentlichkeit des Seeufers konsequent vertritt. Dabei müssen in Detailfragen natürlich auch die privaten Interessen von Anliegern beachtet werden. Ich bin froh, dass die Stadtverwaltung und der Ortsbeirat hier soviel Realismus und Umsicht an den Tag legen, dass das offene, gemeinsame Gespräch immer möglich ist.

Mit dem Ausbau der Straßen scheint es voran zu gehen. Was steht an zweiter Stelle der Prioritäten?

Meine zweite Priorität ist genereller Art und deshalb eigentlich die erste Priorität. Ich möchte meine Arbeit so gestalten, dass sich Groß Glienicke in seiner geistigen und kulturellen Haltung für eine gemeinsame Ortsentwicklung zusammenschweißt. Man hat hier über die Jahre hinweg eine Streitkultur aufgebaut und gepflegt, die sich im Kern ausschließlich um des Streitens willen gehalten hat und noch hält. Meine Arbeit zielt auf einen Dialog der gemeinsamen „Groß Glienicker Sache“ wegen. Dass daraus auch ruhig einmal Streit werden kann, wird dann nur der Sache dienen. Ein zügiger Straßenausbau hängt daran, ob wir es als die politisch Verantwortlichen schaffen, die Vorzüge im Dialog zu erklären. Die Anliegerversammlungen zum Busring haben gezeigt: Die Bürger wissen sehr wohl, was sie wollen, und die Abstimmungsprozesse zwischen diesen Wünschen und den Vorgaben sind komplex. In diesem Prozess habe ich die erwartete Mitarbeit aus dem Ortsbeirat vermisst. Deshalb beginnt für mich jetzt die Feuerprobe beim Ausbau der ersten Anliegerstraßen. Gelingt es, schnelles Einvernehmen zwischen allen Beteiligten herzustellen, kann ein zügiger Ausbau beginnen.

In letzter Zeit wurde über den Schulstandort Groß Glienicke diskutiert. Die Grundschule hat solide Schülerzahlen. Was kann man für den Erhalt der Oberschule tun?

Die Grundschule Hanna-von-Pestalozza befindet sich im Zentrum des Ortsteils, sie wurde in einer modernen,ansprechenden Architektur neu gebaut. Diese Vorteile hat die Waldschule nicht. Dabei zeichnet sie sich durch ein ausgesprochen gutes pädagogisches Profil aus. Doch der Schülerstamm kommt aus dem Landkreis Havelland, der nun seinerseits für mit einem Schulneubau und Schulerweiterungen nachgerüstet hat. Leider melden nur wenige Eltern aus Groß Glienicke ihre Kinder an der Waldschule an. Angesichts der niedrigen Schülerzahlen sehe ich die Situation als schwierig an. Ich wünsche der Waldschule, dass sie es schafft, für das kommende Schuljahr eine ausreichende Anzahl an Anmeldungen für die 7. Klasse zu akquirieren.

Die Amtszeit des Ortsbeirats nach der Eingemeindung nach Potsdam läuft im Herbst 2008 ab. Wird es darüber hinaus in Groß Glienicke einen aktiven Ortsbeirat geben?

Wenn nach 2008 die ersten Wellen des Sich-Aneinandergewöhnens von Stadt und Ortsteil geglättet sind, sollte es erst Recht einen aktiven Ortsbeirat in Groß Glienicke geben. Und weil Groß Glienicke sich immer gern in seinem eigenen Licht gesonnt hat, wird es ihn wohl auch geben.

Das Interview führte Winfried Gutzeit

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