Etwas HELLA: Ich hab dich zum Fressen gern
Wer auf die Tube drückt wie Potsdam und immer größer und attraktiver wird, der braucht natürlich auch Zukunftsvisionen. Deshalb sind wir jetzt alle aufgefordert, an einem Leitbild für die nächsten – na, mindestens – 100 Jahre zu arbeiten.
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Wer auf die Tube drückt wie Potsdam und immer größer und attraktiver wird, der braucht natürlich auch Zukunftsvisionen. Deshalb sind wir jetzt alle aufgefordert, an einem Leitbild für die nächsten – na, mindestens – 100 Jahre zu arbeiten. Das ist wichtig und bestimmt auch viel einfacher als aktuell mit Problemen fertigzuwerden beziehungsweise nicht erst welche zu organisieren wie beim Brückenfest am vergangenen Freitag. Dauerstau vor der Humboldtbrücke sollte jedenfalls nicht zu den Leitlinien gehören, auch wenn saubere Luft und weniger Autos in der City sehr leitlinienverdächtig sind. Als Probestück für die Zukunft ist die Zeppelinstraße im Gespräch. Sie bekommt demnächst in der Mitte eine ganz dicke Leitlinie, auf der man dann stehen, sitzen oder liegen kann und in aller Ruhe diskutieren darf, wie man ohne Autos und Staus durch Potsdam kommt.
Wird das Problem praktisch und zur Zufriedenheit aller gelöst, ist es dann nur noch ein Klacks, in 20 bis 30 Jahren den Verkehr ganz aus der Innenstadt zu verbannen. Wir werden durch autofreie Straßen wandeln, werden nur noch sozialverträgliche Mieten zahlen und wenn uns hungert, können wir die Rabatten rechts und links von den Wiesen auf dem Platz der Einheit abweiden. Den Vorschlag des praktischen Potsdamers, der statt der Blumen auf öffentlichen Plätzen nur noch Nutzpflanzen angepflanzt sehen möchte, würde ich allerdings so schnell wie möglich in die Tat umsetzen. Denn zwischendurch, ehe sich die Leitlinien zum Gegenwartsmuster verschlingen, kann noch so viel geschehen. Sicher, wir haben keine Planwirtschaft mehr, aber Brechts lockere Verse, die wir so gern zu Zeiten der Fünfjahrespläne und deren ständiger Übererfüllung vor uns hin summten, gehen mir nicht aus dem Sinn. Wie heißt es so schön in der Dreigroschenoper: „Ja, mach nur einen Plan!/Sei nur ein großes Licht!/Und mach dann noch ’nen zweiten Plan/Geh’n tun sie beide nicht.“
Deshalb greif zur Hacke Kumpel. Raus mit den blöden Tulpen und Stiefmütterchen, weg mit den lächerlichen Sommerblumen, außer den essbaren natürlich. Damit aber nicht doofe Löcher entstehen, wenn irgendwer Radieschen büschelweise ausreißt oder den Spinat ratzekahl abfrisst, schlage ich als Kompromiss hübsch blühende und trotzdem nützliche Pflanzen vor, die sehr unterschiedlich reifen. Schnittlauch wächst gut nach und blüht sehr schön, auch Kamille oder Pfefferminze empfehlen sich. Brunnenkresse wuchert wie verrückt und die Blüten können als Tisch-Dekoration nur so weggemampft werden. Vom Cannabis-Anbau rate ich allerdings ab, auch wenn die Pflanzen sehr attraktiv aussehen. Es könnte sein, dass da der Anspruch auf Eigenbedarf falsch ausgelegt wird. Tomaten sollten bewirtschaftet werden. Wer sie regelmäßig gießt, darf sich einige Früchte reservieren. Mit Namensschildchen.
Als Wahlspruch der Zukunft aber wird in aller Munde sein: „Potsdam, ich hab dich zum Fressen gern!“
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam
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