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Landeshauptstadt: „Ich habe mehr vom Leben“

Katrin Barfknecht, Gruppenleiterin Frauen nach Krebs, sieht Bedarf für mehr Psychoonkologen

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Ihr Arzt weinte, als er der damals 36-jährigen Katrin Barfknecht das Diagnose-Ergebnis mitteilte: Gebärmutterhalskrebs. Er habe unter Schock gestanden, vermutet die Potsdamerin. Sie selbst sei ruhig geblieben. Endlich gab es eine Erklärung für ihre monatelangen Unterbauchschmerzen, die sie am Schluss mit 20 Schmerztabletten täglich zu bekämpfen versuchte.

Endlich Klarheit. Keine Träne, keine Emotion. Nur der Gedanke: „Ich kann nicht sterben, ich bin jung, ich habe zwei Kinder. Das wäre einfach zu früh“, schildert Katrin Barfknecht die Situation Ostern 2004. Danach sei alles schnell gegangen. Erst eine vierstündige Operation, danach Bestrahlung und Chemotherapie, dazwischen Anschlussheilbehandlungen und Reha in der Fachklinik Buckow. Die vorher als Büroleiterin stark eingebundene junge Frau, die sich im Rückblick selbst als Workaholic bezeichnet, hatte plötzlich viel Zeit zum Nachdenken. Besonders in der Reha tauschte sie sich mit anderen Krebspatienten aus, schloss Freundschaften. Die Kommunikation rettete sie über manchen Tiefpunkt hinweg. „Heute kommuniziere ich mit der ganzen Welt“, berichtet sie. Damit das ein bisschen flüssiger gehe, habe sie jetzt einen Englischkursus begonnen. Viel Arbeit, aber auch viel Anerkennung erhalte sie auch als Potsdamer Gruppenleiterin der Frauenselbsthilfe nach Krebs. Der Kontakt zu Gleichbetroffenen sei sehr wichtig, auch „wenn wir in der Selbsthilfegruppe nicht ständig die Krankheit thematisieren“, sagt Karin Barfknecht. Der Krebs sei ein Stück Leben, sagt sie. Und dazu gehöre auch der Tod, erzählt sie von Gruppenmitgliedern, die nicht mehr da sind. „Diese Erkenntnis hat mir die Angst vor dem Sterben genommen.“ Die Krankheit habe sie das Leben gelehrt. „Ich vermisse meine Arbeit überhaupt nicht“, gesteht sie freimütig. Sie habe jetzt viel mehr vom Leben, genieße jeden Tag, mache Pläne wochenweise. Das wirklich lästige seien die Behördengänge gewesen, um ihre Frührente durchzusetzen. Überhaupt seien die vielen Formalien belastend. Viele Gänge könnte man sich auch ersparen, wenn man einfach informierter wäre, sagt Katrin Barfknecht. Sie wünsche sich deshalb, dass sich Patienten unmittelbar nach der Diagnose Krebs an ihre Selbsthilfegruppe wendeten. Das erspare auch seelische Tiefs. Besonders nach der OP habe sie sich einsam gefühlt, einen Ansprechpartner vermisst. „Auch den können wir stellen.“ Sie fordere darüber hinaus, dass in Krankenhäusern mehr Psychoonkologen eingesetzt würden – auch zur Überwindung der Todesfurcht. Die hat jeder, sagt Katrin Barfknecht, die sich gerade den Port entfernen ließ. Durch den Zugang, der von der Hautoberfläche durch eine Hohlvene ins Herz führte, wurde sie chemotherapiert. „Ich habe beschlossen: Die Krankheit passt nicht mehr zu mir“, sagt sie. Nicola Klusemann

Nicola Klusemann

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