zum Hauptinhalt
Missionarischer Eifer. Eran Davidson (l.) und Veit Quack wollten mit ihrer ungewöhnlichen Aktion auf die Folgen des steigenden Meeresspiegels aufmerksam machen.

© privat

Homepage: „Ich kann keine Aufgabe unerledigt lassen“

Eran Davidson, Chef des Plattner-Risikokapital-Fonds, über den gescheiterten Versuch, den Atlantik mit einem Ruderboot zu queren

Stand:

Herr Davidson, wie fühlen Sie sich?

Bestens, warum fragen Sie?

Sie haben den Versuch, mit einem winzigen Ruderboot 50 Kilometer über den Atlantik zu rudern, also heil überstanden?

Das schon. Seekrank wurden wir erst in dem Motorboot, das uns da rausgeholt hat (lacht). Wir hatten es leider nicht geschafft. Ich war zusammen mit dem Filmemacher Veit Quack am 30. Juni von der kleinen Insel Porto Santo gestartet. Unser Ziel war Madeira. Doch auf der Hälfte der Strecke mussten wir aufgeben.

Was war passiert?

Die Wellen waren einfach zu hoch. Der Seegang betrug mindestens zwei Meter. Das hat die Bewegung der Ruder extrem beeinträchtigt, man konnte sie für den nächsten Ruderschlag aufgrund der hohen Wellen nicht mehr ganz aus dem Wasser heben. So konnten wir das Boot nicht mehr richtig voranbringen. Auch haben uns die Wellen immer wieder vom Kurs abgebracht. Hinzu kam starker Wind. Wir mussten ein Motorboot rufen und umkehren. Wir konnten unsere Mission nicht beenden.

Bekamen Sie Panik, als Sie merkten, dass Sie nicht mehr vorankamen?

Nein. Die Situation wurde vermutlich gefährlich. Doch wenn man sich im Geschehen befindet, merkt man das nicht. Wir hatten keine Zeit für Angst, wir ruderten, versuchten auf Kurs zu bleiben und das Wasser aus dem Boot zu halten. Wir wussten auch, dass ein Rettungsboot in der Nähe war. Erst als es vorbei war, haben wir gesehen, dass es verrückt war, bei diesem Wetter zu starten.

Sie wollten die Strecke an einem Tag zurücklegen?

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Wir hatten nur einen Versuch. Der Start war sehr gut, doch je weiter wir in den Ozean hinauskamen, desto stärker wurden die Wellen und der Wind. Es war sehr erschöpfend. Vor allem der emotionale Stress war sehr groß. Wir hatten in der Nacht zuvor nicht viel geschlafen und waren sehr früh gestartet. Hinzu kam, dass im Ozean zu rudern doppelt so hart ist wie auf einem See. Für eine 50-Kilometer-Distanz muss man im offenen Meer Kraft wie für 100 Kilometer auf einem Binnensee aufbringen.

Wie haben Sie navigiert?

Mit dem GPS in meiner Jogging-Uhr. Das war kein Problem.

Das Boot, mit dem Sie gestartet sind, ist winzig. Warum haben Sie sich damit in den Atlantik hinaus gewagt?

Wir wollten etwas machen, das niemand zuvor gemacht hat. Wir wollten zeigen, dass ganz normale Menschen sehr ungewöhnliche Dinge machen können. Jeder hat die Möglichkeit dazu. Wir sind keine Hochleistungssportler, wir haben normale Jobs, normale Familien. Aber wir mögen es zu rudern. Es war eine große Herausforderung für uns. Nicht nur wegen des Ozeans, auch wegen der ganzen Logistik, die für so ein Vorhaben nötig ist.

Die Idee war also kein Scherz?

Nein, auf keinen Fall. Wir haben ein ernsthaftes Anliegen mit dem Vorhaben verbunden. Wir wollten die Sache nicht nur aus Spaß machen. Und wir wollten uns als Personen nicht in den Mittelpunkt stellen. Wir wussten, dass wir durch das Vorhaben eine gewisse Aufmerksamkeit bekommen. Und die wollten wir nutzen, um auf ein sehr wichtiges Anliegen hinzuweisen. Nämlich dass der Klimawandel zu einem bedrohlichen Anstieg des Meeresspiegels führen wird. Und dass dies nach Möglichkeit verhindert werden muss. Uns ging es also nicht um unsere Geschichte, sondern um die Ozeane, um die wir uns Gedanken machen müssen. Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht die Lebensgrundlage von vielen Hundert Millionen Menschen, die weltweit in küstennahen Gebieten leben. Die Frage ist, was ich als einzelner Mensch dagegen machen kann. Kann ein normaler Mensch daran etwas ändern? Wir wollten zeigen, dass auch normale Menschen etwas bewegen können. Jeder kann etwas Außergewöhnliches leisten.

Aber Sie sind gescheitert.

Wir haben nicht aufgegeben. Wir hoffen, das noch zu schaffen.

Sie werden es wieder versuchen?

Sicher! Ich kann keine Aufgabe unerledigt lassen. Das liegt mir im Blut.

Sie sind Geschäftsführer von Hasso Plattner Ventures, einem Risikokapital-Fonds. Was hat Ihre Mission im Ozean mit Ihrem Job zu tun?

Unsere Idee hat viel mit meiner Arbeit zu tun. Jeden Tag habe ich mit Menschen zu tun, die ihren Träumen folgen. Nicht ihren sportlichen Träumen, sondern denen ihrer Geschäftsidee. Ich habe viel mit sehr jungen Firmen und jungen Unternehmern zu tun, die viel Leidenschaft in ihre Vorhaben stecken. Sie wollen die Welt ändern, indem sie etwas möglich machen, was es zuvor noch nicht gab. Und das wollen auch wir.

Und das reicht aus?

Jeder Mensch kann seiner Leidenschaft folgen. Man muss nur seine Ziele definieren und die nötige Energie hineingeben. Das reicht aus. Das kann das Leben ändern.

Warum machen Sie sich überhaupt Gedanken über den Meeresspiegel? Die Küste ist von Potsdam doch weit entfernt.

Ich stamme aus Israel, meine Familie lebt in Tel Aviv – sehr nah an der Küste. Aber das Problem betrifft auch die Niederlande, Dänemark oder beispielsweise New York. Neben wichtigen Wirtschaftszentren sind auch viele Entwicklungsländer vom steigenden Meeresspiegel bedroht. 20 Zentimeter Anstieg des Meeresspiegels reichen aus, um viele Regionen direkt zu bedrohen. Und wir reden nicht über eine ferne Zukunft, sondern über eine Entwicklung, die uns bereits in den nächsten Jahrzehnten treffen kann.

Zurück zu dem kleinen Boot. Hatten Sie zuvor das nötige Training?

Ich habe erst hier in Deutschland angefangen zu rudern. Als ich in diese schöne Landschaft hier kam und all die Flüsse und Seen gesehen habe, habe ich mir gesagt, es kann nichts besser geben, als den Tag in einem kleinen Boot zu beginnen. Ich lebe in Berlin und rudere jeden Morgen von Wannsee bis zu meinem Büro in Griebnitzsee.

Sicherlich nur im Sommer?

Auch im Winter. Nur wenn es schneit oder das Wasser zugefroren ist, rudere ich nicht. Eigentlich sind es nur zwei, drei Wochen im Jahr, in denen ich nicht rudern kann.

Doch ist es etwas anderes, auf dem Wannsee zu rudern, als im Atlantik.

Oh ja! Das war erst einmal eine große Überraschung für uns. (lacht) Aber wenn man es nicht versucht hat, weiß man das nicht. Daher sind wir sehr froh darüber, es versucht haben. Und wir wissen, dass es möglich ist. Wir haben beschlossen, dass nächste Mal noch mehr Energie hineinzulegen.

Und morgen früh?

Dann rudere ich wieder von Berlin nach Potsdam.

Keine Wellen?

Keine Wellen. Keine Haie. Perfekte Wetterbedingungen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Am 4. September berichtet Veit Quack (HFF Potsdam) in der Reihe „Potsdamer Köpfe“ über die Atlantikfahrt mit Eran Davidson, um 18 Uhr, im Friedrich-Reinsch-Haus im Milanhorst 9.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })