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Reisefertig. 103 gepackte Lederkoffer sind derzeit in den Bahnhofspassagen zu sehen. Der Künstler Fritz Roth befragte für seine Ausstellung Menschen aller Altersklassen danach, was sie bei der Reise ins Jenseits gerne mitnehmen würden.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Ich packe meinen Koffer

Mit einer Ausstellung in den Bahnhofspassagen feiert der Hospizdienst sein zehnjähriges Bestehen

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Innenstadt - Manches Gepäckstück quillt über von Briefen und Fotos, Plüschtieren oder Rätselheften. Andere verraten den Genießer: eine Flasche Wein, teure Schokolade, ein gutes Buch soll mit auf die „letzte Reise“. Doch nicht wenige der insgesamt 103 Koffer, die man seit Mittwoch in den Bahnhofspassagen unweit des Ausganges zur Langen Brücke inspizieren kann, sind auch leer geblieben. „Ich kam ohne Gepäck, und ich gehe ohne“, schreibt etwa der Soziologieprofessor Christoph Hommerich, Jahrgang 1948. Auch die Hebamme Dorothea Heidorn, Jahrgang 1947, will ihre letzte Reise unbeschwert antreten: Die Zeilen eines Psalms hat sie in den Deckel ihres Koffers geklebt, aus dem ein Skelett zum Abschied leise „Servus“ winkt.

„Einmal Jenseits und zurück – ein Koffer für die letzte Reise“ heißt die Ausstellung, die der Hospiz- und Palliativberatungsdienst anlässlich seines zehnten Geburtstages nach Potsdam geholt hat. Mit seiner Idee, Menschen ihren Koffer für die Reise aus dem Leben packen zu lassen, lädt der Künstler Fritz Roth zum Nachdenken über Wesentliches ein: Was will ich mitnehmen, was wird von mir bleiben, wenn ich nicht mehr bin?

Insgesamt 730 Menschen haben die Ehrenamtler des Potsdamer Hospizdienstes in den vergangenen zehn Jahren tatsächlich auf diesem letzten Weg begleitet. Das Angebot ist kostenfrei, 134 Männer und Frauen haben sich zum Sterbebegleiter ausbilden lassen, sagte Frank Hohn, der Vorstandsvorsitzende der Hoffbauer-Stiftung gestern. Die Ehrenamtler hätten nicht nur den Sterbenden und ihren Familien geholfen, betonte die Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos): Sie hätten auch für die Anerkennung des Themas in der Stadt gekämpft – und so Potsdams erstes stationäres Hospiz, das derzeit auf Hermannswerder entsteht, mit auf den Weg gebracht.

Derzeit arbeiten 78 Ehrenamtler in der Sterbebegleitung, weitere 15 werden noch im Herbst ihren zehnmonatigen Vorbereitungskurs abschließen, sagt Hospizdienst-Koordinatorin Vera Hansen. Die Zahl der Männer kann sie an zwei Händen abzählen: „Kümmern und Versorgen gehört offenbar immer noch zur Rolle der Frau“, sagt sie. Bevor ein Ehrenamtler zu einem Sterbenden kommt, klärt sie mit dem Betroffenen und der Familie, welche Unterstützung gewünscht ist: Das kann ein Gespräch mit Angehörigen sein, Hilfe im Haushalt oder eine Sitzwache, bei der der Helfer am Bett des Sterbenden bleibt, einfach um da zu sein. „Oft werden die Sterbenden nachts wach und haben dann große Angst“, erklärt Vera Hansen.

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass auch die Trauerarbeit, die der Hospizdienst etwa in Trauergruppen und mit Gesprächen anbietet, über Krankenkassen finanziert wird – und dass die Berührungsängste bei den Potsdamern noch weiter abnehmen. Jana Haase

Geöffnet bis 7. September von 9.30 Uhr bis 20 Uhr. Das Begleitprogramm beginnt jeweils 19 Uhr: Heute wird das stationäre Hospiz vorgestellt, am 28. August lesen die Autorinnen Christine Anlauff und Maria Stolz, am 1. September ist Künstler Fritz Roth zu Gast, am 5. September Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe.

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