
© Andreas Klaer
INTERVIEW: „Ich sehe nicht, dass wir Vertrauen verspielt hätten“
2011 war für Potsdam ein widersprüchliches Jahr, sagt Jann Jakobs im PNN-Interview. Der SPD-Oberbürgermeister will daraus Lehren ziehen – und gelassen werden
Stand:
Herr Jakobs, 2011 ist das erste Jahr Ihrer zweiten Amtszeit – es wird als Jahr der Affären in Potsdams Geschichte eingehen. Wie konnten die Dinge derart aus dem Ruder laufen?
2011 nur auf die Probleme der Stadtwerke oder die Diskussion um Grundstücksverkäufe zu reduzieren, wäre stark verkürzt. Das Potsdamer Jahr 2011 hat zwei Seiten: Auf der einen ist es sehr erfolgreich gewesen. Wir sind mit der Mitte sehr weit vorangekommen, haben Richtfest für den Landtagsneubau gefeiert, es gibt grünes Licht für die neuen Bauten an der Alten Fahrt, und wir haben – das ist ganz neu – von Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger eine Zusage über weitere 8,6 Millionen Euro bis 2015 für die Mitte bekommen. Damit können wir die nötigen Straßenbauarbeiten und den Abriss der Fachhochschule bezahlen. Wir haben pünktlich alle Gelder aus dem Konjunkturpaket II des Bundes verbaut und abgerechnet. Dazu gehören Großprojekte wie die Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions und der Bau der Mehrzweckhalle am Luftschiffhafen. Ich könnte vieles mehr nennen, was auf der Habenseite steht – die positive Wirtschaftsentwicklung, die mit 7,2 Prozent geringste Arbeitslosenquote ...
Auf der anderen Seite haben die Stadtwerke-Affäre und der Vorwurf von Ungereimtheiten bei Grundstücksverkäufen das Jahr geprägt.
Das sind Diskussionen, die ich mir gern erspart hätte, insbesondere was die Stadtwerke und die Energie und Wasser Potsdam – also die EWP – angeht. Aber aus einer Krise kann man ja auch lernen. Man kann es durchaus so interpretieren, dass hier jetzt eine notwendige Diskussion erfolgt, die zu produktiven Ergebnissen geführt hat. Vor allem was die Transparenz der städtischen Unternehmen angeht.
Doch noch einmal: Wie konnte es in Potsdam so aus dem Ruder laufen?
Der Eindruck, dass dies geschehen sei, mag ja bei Ihnen entstanden sein. Aber ich finde, man kann die Entwicklung der Stadt nicht auf diese Aspekte reduzieren.
Das tut ja auch niemand.
Aber Ihre Frage hat das impliziert!
Das war nicht die Absicht. Nun denn: Die Stadtwerke-Affäre wird aufgearbeitet, die Transparenzkommission hat ihren Abschlussbericht vorgelegt und fordert einen Neuanfang bei den städtischen Unternehmen, wie es die Vorsitzende Elke Schaefer mitgeteilt hat.
Nein, so würde ich das nicht sagen. Es geht nicht um einen totalen Neuanfang. Ich gebe zu, dass durch die öffentliche Diskussion der Eindruck entstehen konnte, alles müsse vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Doch so ist es nicht, und da hat auch die Transparenzkommission sehr verantwortlich gearbeitet. Sie hat drei Bereiche bearbeitet – das Sponsoring, die Regeltreue in den städtischen Unternehmen und die Frage, ob wir die Verantwortlichkeiten in den Geschäftsführer-Aufsichtsrats-Konstruktionen verändern müssen. In diesen drei Bereichen wird es Veränderungen geben. Bei der öffentlichen Diskussion hatte man zuweilen den Eindruck, es sei mithilfe krimineller Strategien Geld hin und her geschoben worden. Wir stellen jetzt fest, dass das Sponsoring der Stadtwerke und der EWP nicht unsinnig gewesen ist. Doch es hat an Transparenz gefehlt. Und die stellen wir jetzt her.
Sie sind im neunten Jahr Oberbürgermeister. Ist Ihnen nie aufgefallen, dass die Strukturen der Kommunal-Unternehmen ungeeignet sind?
Was das Thema Transparenz und Sponsoring angeht: Ja, doch. Das hat dazu geführt, dass wir mit der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International schon Gespräche über einen Beitritt Potsdams geführt hatten ...
... das hatten doch die Stadtverordneten zuvor beschlossen, die Verwaltung musste es umsetzen ...
ja, aber ich habe das aufgegriffen und gesagt, dass es sinnvoll ist, Regeln aufzustellen. Das war keine einfache Diskussion. Durch die Vorgänge bei der EWP hat die Debatte noch einmal eine andere Dynamik bekommen. Aber dass wir da blind gewesen wären, kann man nicht sagen.
Das heißt, Sie hätten sowieso etwas unternommen, auch wenn es die Stadtwerke-Affäre nicht gegeben hätte?
Ja.
Das würden jene, die Sie als Teil des Systems um den ehemaligen Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen auffassen, sicher bezweifeln.
Wir haben auch gehört, dass das hier eine Bananenrepublik ist! Diese Vorwürfe und Behauptungen sind Überspanntheiten in der damaligen konkreten Situation gewesen. Bei der Bewertung solcher Vorgänge wie um die Stadtwerke haben alle eine große Verantwortung – sie liegt nicht nur beim Oberbürgermeister, sondern auch bei den Stadtverordneten und teilweise bei der Presse. Man kann über diese Vorfälle, die natürlich kritisierenswert sind, der Stadt auch ein Image verpassen, das sie nicht verdient hat und das langfristig eher Schaden verursacht.
Sie sind früher öfter gefragt worden, wie sehr die prominenten Potsdamer Günther Jauch und Wolfgang Joop die Stadt mitregieren. Jetzt drängt sich die Frage auf, wie sehr Peter Paffhausen mitregiert hat.
Wollen Sie darauf eine Antwort haben?
Ja.
Er war Geschäftsführer der Stadtwerke und der EWP. Nicht mehr und nicht weniger.
Die Gewinne vor allem der EWP unter Paffhausen wurden als Schattenhaushalt angesehen. Ein Beispiel: Die 400 000 Euro, die von der EWP in das neue Jugendzentrum „Freiland“ flossen. Dazu stellte die EWP auch das Grundstück. Darauf haben offensichtlich auch Sie gern zurückgegriffen.
Moment mal! So war es nicht. Zur Förderung für „Freiland“ hat es eine große Diskussion in der Stadtverordnetenversammlung und entsprechende Beschlüsse gegeben. Ich wüsste nicht, was da an größerer Transparenz herzustellen wäre.
Ausgestanden ist die Stadtwerke-Affäre nicht. Jetzt liegen die Empfehlungen der Transparenzkommission auf dem Tisch.
Es wird die Aufgabe im ersten Halbjahr 2012 sein, aus den Vorschlägen Regeln zu machen, die zu einer größeren Transparenz beitragen. Außerdem läuft die juristische Aufarbeitung. Bisher wissen wir, dass die Spitzel-Vorwürfe rechtlich nicht zu ahnden sind. Was die Spenden und die Vergabe von Krediten an den SV Babelsberg 03 angeht, läuft die juristische Untersuchung noch. Wie dies strafrechtlich gewürdigt wird, entscheidet nun zunächst die Staatsanwaltschaft. Dann sehen wir weiter. Herr Paffhausen hat ja gegen die Kündigung geklagt.
Wissen Sie schon, wann Sie Herrn Paffhausen vor Gericht wiedersehen?
Nein, das kann ich nicht sagen.
Schon zum zweiten Mal musste die Stadt jüngst einen Sportverein mit einem Zuschuss aus dem Stadthaushalt vor der Pleite retten – logische Konsequenz des Zusammenbruchs des Systems Paffhausen?
Dem SV Babelsberg 03 hat die EWP offensichtlich ab und an über schwierige finanzielle Situationen geholfen, ohne dass die entsprechenden Gremien damit befasst waren. Insofern hätte es für den Verein ohnehin eine andere Regelung geben müssen. Was den zweiten Verein, den VfL Potsdam, angeht, haben die Diskussionen um die EWP und um Grundstücksvergaben einige Sponsoren in Misskredit gebracht – vollkommen ungerechtfertigt. Diese Leute haben gesagt: Wir machen da nicht mehr mit. Das muss jetzt kompensiert werden.
Im Klartext sagen Sie, Theodor Semmelhaack, dessen Unternehmen im Mittelpunkt der Debatten um Grundstücksverkäufe stand, sponsert deshalb den VfL Potsdam nicht mehr und der Verein geriet in Schwierigkeiten?
Das habe ich nicht gesagt. Doch es herrscht eine Atmosphäre, in der jemand, der sich finanziell in Sportvereinen engagieren will, damit rechnen muss, angeprangert zu werden. Da ist eine große Zurückhaltung spürbar.
Sie haben das Thema bereits angesprochen: Es gab Vorwürfe, bei der Privatisierung städtischer Immobilien mit mehr als 1000 Wohnungen vor elf Jahren habe es Unregelmäßigkeiten gegeben. Auch der Fernsehmoderator Günther Jauch hatte Kritik geübt. Haben Sie mit ihm mittlerweile darüber gesprochen?
Ja. Wir haben uns ausgetauscht. Aber wir haben vereinbart, dazu nichts zu sagen.
Ein weiteres Grundstücksgeschäft macht seit einigen Wochen Schlagzeilen: der Fall Bertiniweg. Die Linke will deshalb Ihren Stellvertreter und Finanzbeigeordneten Burkhard Exner abwählen. Sie haben bisher nichts zum Fall gesagt, haben auch Exner nicht verteidigt. Warum?
Die jeweiligen Beigeordneten müssen ihre Geschäftsbereiche selbstständig vertreten. Da müssen sie, ein wenig platt ausgedrückt, auch den Kopf hinhalten. Im Fall Burkhard Exner will ich aber sehr deutlich sagen, dass ich bisher keinerlei Hinweise darauf habe, dass es womöglich eine persönliche Intervention gab, diesen Vorgang am Bertiniweg in die eine oder andere Richtung zu bringen. Insoweit gilt es, ihn hier in Schutz zu nehmen.
Schiefgelaufen ist beim Verkauf der städtischen Grundstücke am Bertiniweg, ohne das Vorkaufsrecht der Pächter zu beachten, jedoch offensichtlich etwas.
Die Stadtverordneten haben beschlossen, dass die Pächter ein Vorkaufsrecht haben sollen. Dabei geht es nicht unbedingt darum, das buchstabengemäß umzusetzen. Vor allem, wenn man zur juristischen Bewertung kommt, dass es nicht geht. Aber es ist dann erforderlich, zumindest den Geist dieses politischen Willens aufzunehmen. Inwieweit das geschehen ist, weiß ich im Augenblick nicht – das wird, auch vom Rechnungsprüfungsamt, untersucht. Im Januar werde ich dazu Bericht erstatten. Für den Fall, dass hier persönliche Verantwortlichkeiten auszumachen sind, schließe ich auch personalrechtliche Konsequenzen nicht aus.
Der Fall Bertiniweg hat dazu beigetragen, das Vertrauen der Bürger ins von Ihnen geführte Rathaus verloren gegangen ist.
Ich sehe nicht, dass wir Vertrauen verspielt hätten. Denn das hängt in hohem Maße davon ab, wie man mit dem Konflikt umgeht, zu welchen Schlussfolgerungen man kommt. Was Sie ansprechen, sehe ich auf einer anderen Ebene.
Auf welcher?
Womit wir es in Potsdam, aber nicht nur hier, zu tun haben, ist, dass die Legitimität politischer Entscheidungen häufig infrage gestellt wird. In Potsdam betrifft dies vor allem Fragen der städtebaulichen Entwicklung, zum Beispiel: Will man ein neues Schwimmbad, und wenn ja, wo?
Ihre Form der Auseinandersetzung damit ist die Bürgerbefragung zum Badneubau?
Auch. Aber nicht nur. Es geht nicht darum, Stimmungen abzufangen. Man muss Bürger in die Lage versetzen, an politischen Entscheidungen teilzuhaben – so wie zur städtebaulichen Entwicklung am Brauhausberg und im Bornstedter Feld, die an die Schwimmbad-Frage geknüpft sind. Da müssen wir die Gelegenheit geben, sich mit diesen Fragen differenziert auseinanderzusetzen. Deshalb planen wir zur Bad-Frage ein intensives Bürgerbeteiligungsverfahren. Daraus folgt ein Ergebnis, und dann findet die Bürgerbefragung statt.
Aber in Potsdam, der Hauptstadt der Bürgerinitiativen, müssen Sie doch gar nicht so viel tun, damit die Bürger sich an den politischen Prozessen beteiligen.
Ob wir die Bürgerinitiativen-Hauptstadt sind, sei dahingestellt. Doch Bürgerinitiativen, die in der Regel Partikularinteressen vertreten, und die repräsentative Demokratie in Form der Stadtverordnetenversammlung müssen in einer Balance zueinander stehen. Diese Balance müssen wir wahren.
Beim Badneubau scheint die Bürgerbefragung allerdings eher eine Rolle rückwärts. Es gibt ja den Beschluss der Stadtverordneten für den Neubau eines Sport- und Freizeitbads am Bornstedter Feld.
Rein formal betrachtet haben Sie recht. Auf Basis des Beschlusses haben wir den Badneubau ausgeschrieben. Doch wir haben Vorschläge von den Bietern bekommen, die damit nicht kompatibel sind. Außerdem muss ich feststellen: Obwohl die Stadtverordneten einen Beschluss für den Standort Bornstedter Feld gefasst haben, sind sie angesichts der Äußerungen von Bürgerinitiativen und Betroffenen nicht in der Lage, die Entscheidung nach außen zu vertreten. Das heißt, wir müssen wieder einen Schritt zurücktreten. Ähnlich war es auch in der Tierheim-Frage. Die Lehre daraus: Die Bürgerbeteiligung muss der Entscheidung des Stadtparlaments vorangestellt werden.
Thema Stadtparlament: Ihre Partner in der Rathauskooperation haben Sie und Exner während der Stadtwerke-Affäre und im Fall Bertiniweg scharf kritisiert. Einige der wichtigen Entscheidungen sind nur mit rot-roter Mehrheit durchgekommen. Wie belastet ist das Bündnis?
Sie und andere werden ja nicht müde, die seit 2008 bestehende Kooperation infrage zu stellen. Doch sie ist nicht unfähig geworden, die Probleme der Stadt zu lösen. Sie ist nach wie vor stabil. In allen wichtigen Fragen steht die Kooperation, zum Beispiel hat sie jeden Haushalt mit eigenen Stimmen verabschiedet. Das schließt aber nicht aus, dass man in Einzelfragen nicht einer Meinung ist oder mal übers Ziel hinausschießt. Aber niemand pokert so hoch, dass er das Bündnis gefährdet.
Es ist ja auch eine komfortable Situation für die SPD: Wenn CDU, FDP oder Bündnisgrüne die Kooperation platzen ließen, würde das vermutlich bedeuten, dass die Landeshauptstadt in die Hände eines rot-roten Bündnisses fiele. Das werden CDU und FDP sicher nicht wollen.
Da sehen Sie ja, warum es durchaus sinnvoll sein kann, weiter gemeinsame Politik zu machen.
Sie sind demnach völlig immun gegen die Dauer-Avancen der Linken? Erst kürzlich hat der Linke-Kreischef Sascha Krämer geäußert, nach der Kommunalwahl 2014 wolle er ein rot-rotes Rathausbündnis.
Die Linken sind widersprüchlich. Da ist der Hardliner Hans-Jürgen Scharfenberg, der mit seiner Rolle als Oppositionsführer förmlich verwachsen ist. Und auf der anderen Seite Kreischef Sascha Krämer, der einen Gegenkurs verkündet, aber nicht richtig weiß, wie er den umsetzen soll. Die Frage wird immer sein: Gibt es konkrete politische Projekte, die man gemeinsam bewältigen kann? Bei großen Fragen aber entscheidet das Stadtparlament über die Parteigrenzen hinweg.
Eine große Frage war der Landtagsneubau in Schlossgestalt. Jetzt steht das Gebäude, das Richtfest ist gefeiert: Was haben Sie empfunden, als Sie im Innenhof standen?
Ehrlich gesagt: Ich bin da gar nicht reingekommen, weil so viele Menschen dort waren. Diese Menge zu sehen war mit das Bewegendste, was ich in meiner Amtszeit erlebt habe. Diese große Identifikation der Potsdamer mit der Mitte, dem Schloss. Der Andrang bestätigte die Überzeugung, die ich immer hatte: Es ist egal, wo die Leute wohnen, ob in Drewitz, am Stern, im Bornstedter Feld oder in der Nauener oder Berliner Vorstadt – das Stadtschloss ist der Kristallisations- und Identifikationspunkt.
Haben Sie immer, auch zu Hause unter der Bettdecke, daran geglaubt, dass das Schloss eines Tages wieder aufgebaut wird?
Ja. Da bin ich immer zuversichtlich gewesen. Ansonsten hätte man daran vielleicht auch verzweifeln können. Es hat oft genug Situationen gegeben, in denen es schien, als gehe es gar nicht mehr weiter. Doch vor meinem inneren Auge konnte ich mir das Schloss dort immer vorstellen. Die Realität übertrifft das allerdings noch.
Ein Sprung von der Mitte zur Schiffbauergasse. Der Kulturstandort kränkelt vor sich hin, auch mit dem Waschhaus gibt es fortwährend Probleme.
Bei der Schiffbauergasse haben wir es mit zwei problematischen Situationen zu tun: Das ambitionierte Konzept für das Waschhaus nach der Insolvenz des ersten Trägers ist nicht aufgegangen – und wir müssen die Schinkelhalle verkaufen, um uns damit wie vereinbart mit rund 800 000 Euro an den Kosten für die Sanierung der Schiffbauergasse zu beteiligen. Bisher will aber niemand die Halle kaufen und das Standortmanagement für den Kulturstandort übernehmen. Wir überlegen jetzt, ob wir das Ausschreibungsverfahren aufheben und prüfen, ob wir die Waschhaus-Trägerschaft mit dem Standortmanagement verknüpfen können.
Wie turbulent es auch in der Stadtpolitik zugeht – Potsdam wächst und wächst und wächst. Neue Schulen und Kitas kosten Millionen, günstige Wohnungen werden immer knapper. Ist das Wachstum noch zu meistern und zu bezahlen?
Was das Wohnen angeht, können wir an kleinen Schräubchen drehen, auch mithilfe der kommunalen Pro Potsdam. Aber das hat keine tragenden Effekte. Da hilft nur eins: Das Land muss wieder ein Förderprogramm für Wohnungsneubau auflegen. Die Mittel des Bundes dafür fließen ja ans Land, da muss dann Butter bei die Fische. Allein werden wir es nicht schaffen, für bezahlbare Mieten zu sorgen. Und wir können auch nicht per Stadtverordnetenbeschluss die Marktgesetze aufheben.
Sie meinen den Vorschlag der SPD-Fraktion, Investoren zu Sozialwohnungen zu verpflichten?
Die Investoren kommen dann nicht, so einfach ist das. Die gehen dann woanders hin. Doch die SPD will ja vor allem, dass die Investoren die Infrastruktur, Schulen, Kitas, Straßen mit bezahlen. Das ist ein guter Gedanke. Da müssen wir mit großen Investoren Arrangements finden. Aber auch so werden wir nicht die gesamte Infrastruktur finanziert bekommen, das werden wir in der Regel selber machen müssen. Doch allein die neue Gesamtschule im Bornstedter Feld kostet 26 Millionen Euro. Das wird uns einschnüren. Und wenn das Land seine Zuschüsse an Kommunen für Investitionen so stark senkt wie bisher prognostiziert, weiß ich nicht mehr, wie wir das alles bezahlen sollen.
Während der vielen Turbulenzen in diesem Jahr muss bei Ihnen viel Arbeit liegen geblieben sein. Wo machen Sie 2012 weiter?
Ich würde nicht sagen, dass etwas liegen geblieben ist – wir haben richtig rangeklotzt hier, trotz alledem. 2012 wird uns die Bad-Entscheidung beschäftigen, die müssen wir jetzt durchkriegen. Außerdem werden uns die Uferwege in Groß Glienicke, wo wir jetzt Enteignungsanträge gestellt haben, und am Griebnitzsee sehr beschäftigen. 2012 wird die Sanierung weiterer Schulen beginnen, andere werden fertig. Der Wohnungsbau sowie die Potsdamer Mitte werden entscheidende Themen sein, und wir müssen die neuen Regeln für die städtischen Unternehmen aufstellen. Außerdem gilt es, die wirtschaftlich positive Entwicklung, die wir in den letzten Jahren trotz aller Krisenerscheinungen um uns herum hatten, sicherzustellen.
2012 wird das Friedrich-Jahr. Gibt es in den Facetten seines Wirkens etwas, das für Sie in Ihrem Tun eine Rolle spielt?
Friedrich II. ist ein unheimlich widersprüchlicher Charakter gewesen. Einerseits genialisch, ein kluger Staatsmann, ein Machtpolitiker par excellence, der dies auch philosophisch reflektierte, ein Mann mit vielfältiger musischer Begabung – andererseits ein Mensch großer Kälte. Er hat nichts, was ich für mich persönlich nachahmenswert finde. Vielleicht nimmt das Friedrich-Jahr auch Ringelnatzsche Dimensionen an: Sie kennen sicher diese schöne Geschichte von der Schnupftabakdose des Alten Fritz
in der ein Holzwurm sich über das Gefäß hermacht mit den Worten „Was geht mich Friedrich der Große an!“
Ja. In diesem Sinne hoffe ich auch auf ein paar heitere Momente.
Was haben Sie sich persönlich für 2012 vorgenommen?
Ich hoffe, dass wir dieses widersprüchliche Jahr 2011 dazu nutzen können, aus den Vorkommnissen die richtigen Lehren zu ziehen. Und: Ich will gelassener bleiben. Werden.
Welches Wort wollen Sie 2012 so schnell nicht wieder hören?
Affäre.
Das Interview führte Sabine Schicketanz
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