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Landeshauptstadt: „Ich spüre die Angst“

Leitbauten und Bürgerbegehren: Potsdams Stadtverordnete lieferten sich Redeschlacht

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Innenstadt - Heuchelei- und Lügenvorwürfe inklusive: Gegner und Befürworter des Bürgerbegehrens zum Erhalt von Fachhochschule (FH), Staudenhof und Hotel Mercure haben sich am Mittwoch im Stadtparlament einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Der Höhepunkt: CDU/ANW-Fraktionschef Matthias Finken hielt dem Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) sechs Jahre alte Aussagen zum sogenannten Leitbautenkonzept vor, das die Umgestaltung der Stadtmitte nach historischem Stadtgrundriss vorsieht – inklusive Abriss des FH-Baus. Bei der Debatte darüber hatte Scharfenberg 2010 laut Wortprotokoll erklärt: „Das inhaltliche Konzept, was hier vorliegt, bietet eine Chance, diese Innenstadt so zu gestalten, dass man sie vorzeigen kann, dass wir gut mit ihr leben können.“ Diese und andere damalige Aussagen von Linke-Kommunalpolitikern stellte Finken in den Kontrast zur derzeitigen Unterstützung des Bürgerbegehrens durch die Linke und urteilte: „Das ist keine glaubhafte Politik.“

Scharfenberg widersprach mit Verve. Die Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen, die Linke habe damals letztlich gegen das Leitbautenkonzept gestimmt. „Von Ihnen, Herr Finken, lasse ich mir mangelnde Glaubwürdigkeit nicht vorwerfen.“ Dies wiederum nahm Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zum Anlass, Scharfenberg ebenso zu kritisieren: Dieser unterstütze das Bürgerbegehren nur, um eine im Stadtparlament abgelehnte Befragung zum Mercure zu erreichen. Doch diese Art, dass Mäntelchen in den Wind zu hängen, „das durchschauen die Bürger“, sagte Jakobs.

Scharfenberg warf ihm wiederum vor, angesichts des Erfolgs des Begehrens – rund 10 000 Unterschriften in drei Wochen – übertünche der Oberbürgermeister seine Unsicherheit nur mit einem „breiten Lächeln“. Der Fraktionschef der linken Wählergruppe Die Andere, Sandro Szilleweit, sekundierte in Bezug auf das aus seiner Sicht erfolgreiche Bürgerbegehren gegen die bisherigen Beschlüsse, speziell zur Potsdamer Mitte: „Ich spüre die Angst im Raum.“

SPD-Chef Mike Schubert warf den Linken vor, diese dürften „den Leuten nicht vorheucheln“, dass erst jetzt geplant werde, in der neu entstehende Mitte auch Platz für sozialen Wohnungsbau zu schaffen. Dieses Thema habe schon seit Jahren eine Rolle gespielt, sagte er.

Anlass für die heftige Debatte ist die Konkretisierung des Leitbautenkonzepts für das FH-Areal, das die Stadtverordneten nun in den Fachausschüssen beraten. Dieses sieht zwei Wohnkarrees vor, inklusive einiger Leitbauten mit einer sogenannten historisierenden Fassade. Geplant ist, Investoren auf den Grundstücken in der Innenstadt bauen zu lassen. Das Begehren wiederum richtet sich gegen den Verkauf kommunaler Flächen in dem Bereich sowie gegen die öffentliche Finanzierung der Abrisskosten.

Oberbürgermeister Jakobs sagte, er respektiere die Unterschriftensammlung – allerdings werde er sich dazu nicht als „politisches Neutrum“ verhalten. So maße er sich als mit 60 Prozent Stimmenanteil gewählter Oberbürgermeister auch an, seine Ablehnung zum Ausdruck zu bringen.

Insbesondere für die nach 2017 leergezogene Fachhochschule habe er bisher keine konkrete Form der öffentlichen Nutzung gehört, auch von den Abrissgegnern nicht. So warb er dafür, die zweite Wegeshälfte bei der Wiedergewinnung der Mitte zu beschreiten. Schon jetzt gebe es kaum einen Bereich in Potsdam mit so viel öffentlicher Nutzung wie rund um den Alten Markt, hielt Jakobs den Privatisierungsgegnern vor. Henri Kramer

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