
© Sebastian Gabsch PNN
PYAnissimo: Ich will doch nur spülen ...
Zunehmend fühle ich mich aus meiner angestammten weiblichen Domäne verdrängt – im Haushalt habe ich immer weniger zu sagen.
Stand:
Ein Umfrageinstitut wollte kürzlich von der Redaktion wissen: Brauchen wir mehr Frauen in den Chefetagen? Was haben wir Mädels gelacht, die wir an diesem Tag mal wieder fast komplett männerlos die Zeitung gemacht haben.
Ich habe ein ganz anderes Problem. Zunehmend fühle ich mich aus meiner angestammten weiblichen Domäne verdrängt – im Haushalt habe ich immer weniger zu sagen. Beispiel: Sonntagnachmittag. Mein Mann und ich sind beim Nachbarn zum Kaffee eingeladen. Es gibt Bio-Tee, frischen Kuchen, liebevoll ist der Tisch gedeckt. Und dann sehe ich es: Auf dem Aquarium liegt ein Pullover. „Der muss liegend trocknen und dort ist es warm. In den Wäschetrockner kann er nicht. Das ist Mischgewebe.“ Es folgt eine minutenlange Fachsimpelei beider Männer über Waschetiketten, Stoffzusammensetzungen, Pflegehinweise und Trocknertraumata. Wie kompliziert das alles geworden sei. Es werde auch immer schwerer, eine homogene Wäscheladung zusammenzubekommen. Zumindest in einem Singlehaushalt.
Ich denke, ich höre nicht recht. Wo sind die Männergespräche von einst, über Alufelgen, Dschungelcamp und Bundesliga? Jetzt mischen sie sich auch noch in den Haushalt ein! Ein schleichender – aber verdächtig konstanter Prozess. Ich habe ja schon Glück, wenn ich mal den Geschirrspüler beladen darf. „Hast du die Anleitung gelesen?“, fragte mein Mann, kurz nachdem ich bei ihm eingezogen war. „Da steckt System dahinter.“ Als ein Kollege von ihm, den ich bisher sehr schätzte, sich ebenfalls als Spülmaschinensystemfetischist outete, erregte das meinen Verdacht: Es werden immer mehr. Dabei wurde der Geschirrspüler von einer Frau erfunden!
Die Amerikanerin Josephine Cochran, geboren 1839, gab gerne größere Gesellschaften und ärgerte sich, dass das Personal beim Abwasch von Hand immer wieder was zerdepperte. 1883 baute sie die erste Maschine, ein gläserner Kolben mit Drahtfächern für Teller und Tassen. Ein Motor drehte diese und pumpte die Seifenlauge hindurch. Für diesen ersten praktikablen Prototyp – die Maschinen einiger Männer waren bis dato stets am Praxistest gescheitert – gab es 1893 auf der Weltausstellung in Chicago einen Preis. Und ich – also anscheinend nicht nur ich – soll mir jetzt sagen lassen, wie man damit richtig umgeht? Ein bisschen Hilfe im Haushalt und Interesse an dem, was da in der Küche vorgeht, ist durchaus löblich. Aber uns Frauen plötzlich ein Misstrauensvotum in Sachen Haushaltstechnik aussprechen? Das geht zu weit.
Ich finde, es wird Zeit, dass Potsdam eine Josephine-Cochran-Straße bekommt. Das passt zu dem Antrag der Grünen-Stadtverordneten, der derzeit diskutiert wird: mehr Straßen nach Frauen zu benennen. Weil es in Potsdam zwar 350 männliche, aber nur 50 weibliche Straßen gibt. Recht haben die Grünen. Die Relevanz für Potsdam ist dabei auch gegeben: In etwa 70 Prozent aller Haushalte steht so ein Ding schließlich rum. Mit einer Josephine-Cochran-Straße wird dann hoffentlich jeder Mann daran erinnert, wem er diese großartige, technische Erfindung zu verdanken hat. Die schließlich auch dazu führte, dass der Mann nicht mehr als degradierter Abtrockner Sonntagnachmittage in der Küche verbringen muss, sondern Zeit hat, mit dem Nachbarn über Wäschepflege zu diskutieren. An der Erfindung einer praktikablen Waschmaschine haben sich übrigens mehrere Männer einige Jahrhunderte lang die Zähne ausgebissen. Aber so lange Straßenschilder gibt es nicht.
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.
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