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PYAnissimo: „Ick fahr zurück zu Fontane“

Denis fliegt nun doch nicht zum Mars. Der Potsdamer, der mit anderen weltmüden Aussteigern den Nachbarplaneten besiedeln wollte, hat es nicht in die nächste Runde geschafft.

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Denis fliegt nun doch nicht zum Mars. Der Potsdamer, der mit anderen weltmüden Aussteigern den Nachbarplaneten besiedeln wollte, hat es nicht in die nächste Runde geschafft. Schade. Wahrscheinlich hat sich das Castingteam gesagt, der schafft es im Ernstfall ja nicht mal durch die Zeppelinstraße. Ganz davon abgesehen, dass auch weiterhin ein Restrisiko besteht, ob es jemals einen funktionierenden Flughafen geben wird, von dem aus der Junge pünktlich zur Abschussrampe pendeln könnte. Ich stelle mir vor, wie er im Trainingszentrum ankommt, die Kollegen schwitzen bereits in ihren Raumanzügen. Und er sagt: „Tschuldigung Chef, die Tram fiel aus, der Bus hatte Verspätung, die grüne Welle funktionierte nicht. Und der Flieger in Leipzig war dann auch weg.“

Jetzt bleibt ihm nur noch das Abenteuer Nahverkehr. Kling Klang ... die Straßen entlang ... Sind die mal dicht, gibt es immerhin noch den ÖPNV. Auf unsere Bus- und Tramfahrer lasse ich nichts kommen. Die passen sogar auf, dass man morgens im Geschuckel der kuscheligen Bahn nicht einschläft. Ab und zu wird mal die Kurve etwas ruppig genommen. Oder es kommt eine nette Ansage, 300 Meter vor der Angst. „Ach so, ick fahre heute nur bis Platz der Einheit, da müsst ihr Richtung Hauptbahnhof umsteijen. Ick fahr zurück zu Fontane.“ Da ist man sofort wach. Freut sich, dass man Deutsch und Berlinisch zu seinen Muttersprachen zählt. Und spürt, wie sämtliche Synapsen der Abteilung schnelles Umdenken und Kombinieren im Hirn aktiviert werden. „Houston, wir haben ein Problem.“ Insofern wäre unser Marskandidat, immerhin selbst Straßenbahnfahrer, bestens für diesen Trip ausgerüstet gewesen. Wer es mit Bus und Bahn in einer Stunde – so lange gilt ein normales Ticket – von Golm nach Rehbrücke schafft, ohne sich den Weg freizuschießen oder Ampeln kurzzuschließen, der sollte es auch zum Mars schaffen. Außerdem schweißt das gemeinsame Erlebnis ÖPNV zusammen, es ist eine teambildende Maßnahme, man sitzt sozusagen gemeinsam in einem Boot oder Raumschiff – statt jeder für sich im eigenen Auto.

Aber zu spät. Unser verhinderter Auswanderer kann nur noch per Anhalter durch die Galaxis. Oder seine Vision einer solidarischen Gemeinschaft unter den Erdlingen umsetzen. Schwer zu sagen, was die größere Herausforderung ist.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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