Landeshauptstadt: IHK will Tourismusabgabe abmildern
Kammer bricht aus der Front der Gegner aus – und erntet Kritik. Abstimmung soll verschoben werden
- Matthias Matern
- Peer Straube
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Vor allem geht es um Zeitgewinn. Würden die Stadtverordneten wie eigentlich geplant am heutigen Mittwoch über die Einführung einer Tourismusabgabe oder einer Bettensteuer abstimmen, wäre der Deckel auf dem Topf. „Wir können das nicht mehr verhindern, also geht es uns darum, auf die Modalitäten der Abgabe Einfluss zu nehmen“, sagte René Kohl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), am Dienstag den PNN.
Überraschend hat die IHK gestern ihre Haltung zur Tourismusabgabe revidiert: Die Bettensteuer lehne man zwar weiterhin strikt ab, sagte IHK-Präsident Victor Stimming. Doch sei die Einführung einer Tourismusabgabe unter bestimmten Bedingungen „notfalls akzeptabel“. Die Forderungen: Die Aufteilung der Stadt in Tourismuszonen – bislang gibt es drei – soll überarbeitet werden, kleinere und mittlere Betriebe sowie Selbstständige sollen stärker entlastet werden und der Beitragsmaßstab, nach dem die Branchen zur Kasse gebeten werden sollen, müsse geändert werden. Zudem soll die Stadt die Einnahmen aus der Abgabe – kalkuliert wird mit zwei Millionen Euro – für die Stärkung der hiesigen Tourismuswirtschaft ausgeben.
Mit der Kehrtwende bricht die bisher geschlossene Phalanx der Branchenverbände gegen jegliche Form einer Fremdenverkehrsabgabe auseinander. Bislang hatte die IHK mit ihrem Nein sowohl zur Bettensteuer als auch zur Tourismusabgabe an der Seite des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, der Handwerkskammer und des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg gestanden. Mit den Einnahmen aus der Abgabe will die Stadt wie berichtet die eine Million Euro gegenfinanzieren, die sie ab dem kommenden Jahr jährlich an die Schlösserstiftung überweisen muss, um damit das Defizit bei der Pflege des Welterbeparks Sanssouci abzumildern. Würde die Stadt das Geld nicht zahlen, müssten alle Parkbesucher ab Ostern 2014 einen Pflichteintritt in Höhe von zwei Euro bezahlen.
Im Gegensatz zur Bettensteuer, bei der nur die Hotelbranche zur Kasse gebeten würde, müssten bei einer Tourismusabgabe praktisch alle Unternehmen in der Stadt zahlen – etwa 15 000 Firmen wären betroffen, von Friseuren über Dachdecker bis hin zu Ärzten. Aus diesem Grund hatten die Branchenverbände bislang unisono für einen Pflichteintritt statt für eine Abgabe plädiert.
Die ärgern sich nun über das Ausscheren der IHK. Olaf Lücke, Brandenburgs Dehoga-Hauptgeschäftsführer, verwunderte die Kehrtwendung: „Ich frage mich, ob alle Unternehmen in den Gremien, die dann künftig zahlen sollen, dies auch mittragen.“ Zumal habe man sich eigentlich gerade erst darauf verständigt gehabt, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um über ein freiwilliges Modell zu reden. „Die gerechteste Lösung wäre aber ein Parkeintritt gewesen. Dazu stehe ich nach wie vor. Jetzt sollen wieder die Falschen zahlen“, so Lücke.
Ähnlich äußerte sich auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen. „Dass der alte Honecker doch noch mal recht bekommt: Jähe Wendungen sind nicht ausgeschlossen. Wir nehmen das mit Überraschung zur Kenntnis“, sagte Busch-Petersen und bedauerte die Entscheidung der IHK. Ralph Bührig, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam (HWK), warnte vor „einer Klagewelle und einem hohen bürokratischen Aufwand zur Veranlagung der Gewerbetreibenden“ im Falle der Einführung einer Tourismusabgabe. Die Verwaltungskosten würden die Einnahmen voraussichtlich ohnehin stark dezimieren. Bührig appellierte an die Stadtverordneten, die Tourismusabgabe heute endgültig abzulehnen.
Dazu wird es wohl aber nicht kommen: Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) will den Stadtverordneten vorschlagen, die Abstimmung zu vertagen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. SPD-Fraktionschef Mike Schubert erklärte, er werde einer Vertagung zustimmen. Allerdings müssten mit allen Branchenverbänden Gespräche für eine Neufassung der Tourismusabgabesatzung geführt werden, nicht nur mit der IHK, so Schubert.
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