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Landeshauptstadt: Im Epizentrum der Müller-Geschichte

In der Mühle von Sanssouci wird bald mit dem Grützeschneider gearbeitet – einer Spende sei Dank

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Wer bisher geglaubt hat, ein Grützeschneider sei ungefähr genauso sinnvoll wie ein Rasierer für Stachelbeeren oder Löschpapier beim Verzehren von Tintenfischen, der irrt gewaltig. In der Historischen Mühle am Park von Sanssouci können die Besucher seit diesem Monat einen solchen Grützeschneider bestaunen.

Wer im Inneren der Mühle die Wendeltreppe emporsteigt und auch den weiteren Aufstieg über die wirklich steile Stiege nicht scheut, der sieht mitten im hölzernen Allerlei der Mühle ein gusseisernes Gerät, das von seinem Äußeren her an einen normalen Motor erinnert. Doch nicht Benzin wird hier verarbeitet, sondern – wie kann es in einer Mühle anders sein – Getreide. Oben kommen die Getreidekörner hinein, werden in dem metallenen Grützeschneider grob zerschnitten und verlassen das Gerät an der Unterseite als sogenannte Grütze, wie der heutige Müller von Sanssouci, Frederic Schüler, am vergangenen Samstag bei der Vorstellung des Gerätes erklärte.

Doch momentan kann Schüler in dem Grützeschneider noch keine Getreidekörner zerhacken, da die Antriebsvorrichtung nicht ganz fertiggestellt ist. Schüler rechnet mit einem Start im Mai. Die erste Grütze werde nicht gleich als Lebensmittel unters Volk gebracht, sagte Schüler. Zunächst müsse er eine Produktprobe vom Landeslabor untersuchen lassen. Auf diese Weise solle sichergestellt werden, dass sich in der neuen Einrichtung auch wirklich keine Verunreinigungen befinden. Theoretisch könne es ja sonst sein, dass er hier einfach mal ein Huhn durchmahle, scherzte Schüler. Das sei natürlich nicht erlaubt. Auch das hölzerne Konstrukt für die Zuführung der Getreidekörner müsse tadellos sein: Astfreie Bretter, nicht in der Umgebung von Tschernobyl gewachsen, sagt Schüler. Der Grützeschneider selbst stammt aus der Berliner Osthafenmühle, wo er bis kurz vor dem Ende der DDR in Betrieb gewesen sei, wie Mühlenmuseumsleiter Torsten Rüdinger berichtete. Künftig soll die frosch gemahlene Grütze an die Bäckerei Fahland geliefert werden, mit der die Sanssouci-Mühle ein Windmühlenbort entwickelt hat, das bereits verkauft wird.

Am Samstag anwesend war sogar der berühmte Müller Grävenitz, jener getreidemahlende Untertan, mit dem sich einst Friedrich der Große einen Rechtsstreit wegen des lauten Mühlengeklappers geliefert haben soll. Bekanntlich ist diese gerichtliche Auseinandersetzung zwischen König und Müller ins Reich der Legenden zu verweisen, doch ohne jene Geschichte wäre Grävenitz wohl längst vergessen – und auch am Samstag nicht in der Mühle aufgetaucht: Andreas Flügge, nach eigenem Bekunden der „virtuelle Nachfolger“ des alten Müllers und in dieser „Funktion“ seit Jahr und Tag im Radio auf Antenne Brandenburg zu hören, überreichte einen Spendenscheck über 500 Euro. Das Geld stammt aus dem Erlös aus dem Verkauf einer CD, die Flügge mit seiner kleinen Comedytruppe aufgenommen hatte. Von jeder verkauften CD gehe ein Euro an die Mühle, die ja nun einmal quasi „das Epizentrum der Geschichte um Grävenitz“ sei.

Und noch einen weiteren Grund zur Freude hatte Museumsleiter Rüdinger am Samstag. Das Berliner Ehepaar Erika und Hans Hargesheimer übergab in der Mühle zwei historische Dokumente. Eines davon ist ein Schreiben Lennés „an den Mühlenbesitzer Herrn Schmidt“. Gartendirektor Lenné teilt darin mit, dass Wilhelm I. bereit sei, „den Besitzern der vier Windmühlen auf dem Mühlenberge bei Sanssouci“ ein „Gnadengeschenk“ zu machen, wenn die Mühlenbesitzer im Gegenzug nicht weiter gegen die Bebauung und Bepflanzung des Berges protestierten. Gemeint ist der Bereich oberhalb des Triumphtors an der heutigen Schopenhauerstraße. Auf dem dortigen Mühlenberg befanden sich laut Rüdinger einst vier Windmühlen.

Erika Hargesheimer fand die historischen Dokumente im Nachlass ihrer Schwester, die 2008 verstarb. Ursprünglich stammten die Papiere aus der Familie des bereits 1975 verstorbenen Mannes ihrer Schwester, berichtete Hargesheimer. Der Weg zurück bis zu Gartendirektor Lenné und Mühlenbesitzer Schmidt lässt sich wohl nicht mehr rekonstruieren. Hargesheimers selbst haben nie etwas mit Mühlen zu tun gehabt. Nur einmal, erzählten die Eheleute am Samstag, hätten sie für 14 Tage in einer Mühle gewohnt – im Urlaub.

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