
© Andreas Klaer
Potsdams Stadtschloss ohne Skulpturen: Im ewigen Exil
Die Figuren, die einst das Stadtschloss zierten, bleiben in Berlin
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Potsdam/Berlin - Sie heißen „Jüngling an Baumstamm gelehnt“, „Weibliche Figur mit Blumenbüschel“ oder auch „Jüngling mit Saiteninstrument“. Die auf dem Dach der Berliner Humboldt-Universität thronenden Skulpturen ließ einst Preußenkönig Friedrich II. anfertigen – allerdings nicht für das Palais seines jüngeren Bruders Heinrich Unter den Linden, das heute die Universität beherbergt, sondern für das Potsdamer Stadtschloss. Dort standen die insgesamt 76 nackten Helden und Götter rund 200 Jahre lang, bis sie fast alle bei einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg beziehungsweise bei der Sprengung des Schlosses 1959/60 zerstört wurden. Aber eben nur fast: Denkmalpflegern war es damals gelungen, einige wenige Attikafiguren vor der Zerstörung des Schlosses zu retten, und lagerten die kostbaren Kunstwerke ein.
Sechs Jahre nach der Sprengung, im Jahr 1966, gingen sie als Leihgabe nach Berlin. Statt auf unbestimmte Zeit in einem Potsdamer Depot zu liegen, sollten sie die wiederaufgebaute Humboldt-Universität schmücken. Jetzt ist aber auch das Potsdamer Stadtschloss wieder aufgebaut, und viele sind der Meinung, die Figuren sollten wieder in die brandenburgische Landeshauptstadt zurückkehren. Bereits seit Jahren wird darum gerungen, doch nun ist es offenbar endgültig entschieden: Die Figuren bleiben in Berlin.
Die Brandenburger CDU hatte die Landesregierung per Anfrage erneut zu einer Stellungnahme über die Zukunft der Figuren genötigt, und in seiner Antwort wird Finanzminister Helmuth Markov (Linke) deutlicher denn je: „Fachpolitische Erörterungen zu dem Thema sind nicht mehr notwendig, da sich die Eigentümerin der Figuren für ihren Verbleib auf der Humboldt-Universität ausgesprochen hat“, heißt es dort.
Die Eigentümerin, das ist die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die für die königlichen Bauten in Berlin und Brandenburg zuständig ist. Diese wiederum verweist an das Berliner Landesdenkmalamt – schließlich steht das Hauptgebäude samt Figuren seit 1975 unter Denkmalschutz. Die Berliner Behörde empfiehlt demnach auch, die Figuren in Berlin zu lassen. Denn wenngleich die Attikafiguren auf der Humboldt-Universität „aus dem Zusammenhang des Potsdamer Stadtschlosses“ stammten, bilde der jetzige Standort bereits selbst eine „wichtige historische Schicht“ ab. „Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Humboldt-Universität mit der Aufbewahrung der Skulpturen deren Erhaltung überhaupt ermöglicht. Das ist ein Akt der Erbepflege, die bereits einen geschichtlichen Wert darstellt und selbst schützenswert ist“, heißt es in der Begründung. Die Schlösserstiftung ist zudem der Auffassung, dass Skulpturen, „die nach 1945 eine sinnvolle Verwendung oder Aufstellung gefunden haben“, nicht an ihren früheren Standort zurückgeführt werden.
In Potsdam sieht man das natürlich anders, vor allem beim Verein Potsdamer Stadtschloss. Da das Land zwar das Schloss als neues Landtagsgebäude wiederaufgebaut hat, für die Rekonstruktion oder Sanierung der Sandsteinfiguren aber erklärtermaßen nicht aufkommen will, sammelt der Verein Spenden und versucht so, den Skulpturenschmuck zu finanzieren. Eine mühsame Aufgabe: Trotz jahrelangen Engagements kam bislang nur das Geld für die Restaurierung von vier Figuren zusammen (siehe Kasten).
Dass acht der wenigen erhaltenen Skulpturen nun in Berlin bleiben sollen, ist für den Verein ein Unding – sogar von Beutekunst wird gesprochen. Die Empfehlung des Berliner Denkmalamtes, stattdessen Kopien anfertigen zu lassen, ist für den Verein keine Alternative. Denn dafür wäre es vermutlich noch schwieriger, zahlungskräftige Spender zu finden.
Geschaffen wurden die an die Antike angelehnten, überlebensgroßen Skulpturen von den Bildhauern Johann Gottlieb Heymüller und Leonhard Storch in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Friedrich II. liebte die Antike und ließ sie nackt darstellen – eine eher ungewöhnliche Freizügigkeit für die damalige Zeit. Wer genau hinsieht, kann erkennen, dass sich die acht Potsdamer Figuren von den anderen auf der Humboldt-Universität etwas unterscheiden. „Die Potsdamer sind etwa einen Fuß kleiner als unsere“, sagt die Kustodin der Humboldt-Universität, Angelika Keune. Mit „unsere“ meint sie die Figuren auf dem Mittelrisalit über dem Haupteingang der Universität. Auch sie wurden wie alle anderen Skulpturen auf dem Prinz-Heinrich-Palais im Krieg zerstört, als eine Bombe den Mittelteil des Gebäudes durchschlug.
Doch im Gegensatz zum Potsdamer Stadtschloss wurde dieser königliche Prachtbau gleich nach dem Krieg wiedererrichtet und sogar ein Teil der Figuren rekonstruiert, wie Keune erzählt. Sie wurden in der Dresdner Zwingerbauhütte in Auftrag gegeben und 1952/53 fertiggestellt. Den östlichen und westlichen Kopfbau ließ man zunächst frei, bis 1966 eben die Leihgabe aus Potsdam kam. Eine Leihgabe auf Lebenszeit, wie es nun scheint.
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