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Erstaunliches Schauspiel. Der neue Windkanal macht im Laserschnittverfahren sichtbar, wie Luft verwirbelt wird. Die Forscher erhoffen sich von der 18,5 Meter langen Konstruktion Aufschluss darüber, wie sich Geruch und Keime rund um Ställe verbreiten.

© Manfred Thomas

RIECHFORSCHUNG: Im giftgrünen Nebel

Mit einem neuen Windkanal untersuchen Agrarforscher in Bornim, wie sich Gestank und Keime verbreiten

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Bornim - Es ist dunkel geworden in der Halle. Die Türen sind verriegelt, die Jalousien heruntergefahren. „Der Windkanal funktioniert im Saugbetrieb“, erklärt die Meteorologin Merike Fiedler. Was genau sie damit meint, spüren die Gäste des Leibniz-Instituts für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) an diesem Freitagvormittag wenige Augenblicke später am eigenen Leib: Als sich der Propeller mit tiefem Brummen in Gang setzt, wird es merklich kühler im Raum. Beim Blick durch die Fenster ins Innere der in der Halle aufgebauten Kanal-Strecke bietet sich indes ein erstaunliches Schauspiel: Ein maßstabsgetreu verkleinertes Stallgebäude ist dort giftgrün beleuchteten Nebelschwaden ausgesetzt. In malerischen Wirbeln türmt sich die Masse vor, über und hinter dem Häuschen auf, bildet immer neue Strudel.

Der neue Windkanal soll sichtbar machen, was die Wissenschaftler trotz langjähriger Messreihen vor Ort, zum Beispiel in Schweineställen, bislang nicht genau vorhersagen können: Wie verbreiten sich Gerüche, Ammoniakbelastung oder Keime im Umfeld von landwirtschaftlichen Betrieben? 1,18 Millionen Euro hat die 18,5 Meter lange maßgeschneiderte Konstruktion den Angaben zufolge gekostet – finanziert wurde sie zu drei Vierteln mit Geld aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (Efre).

ATB-Direktor Reiner Brunsch spricht von „ganz neuen Möglichkeiten“, die der Kanal bietet – in Europa gebe es derzeit keine vergleichbare Anlage in der Agrarforschung. Windgeschwindigkeiten von bis zu 20 Metern in der Sekunde – das entspricht einem stürmischen Wind von Windstärke acht – können in dem Kanal erzeugt werden. Der Wind wird zunächst über eine 14 Meter lange Strecke durch Unebenheiten am Boden verwirbelt, bevor er auf der 4,5 Meter langen Messstrecke zum Beispiel auf kleine Modellbauten trifft. Das Laserlichtschnittverfahren macht die Verwirbelungen, die sich dabei ergeben, sicht- und messbar.

Die Agrarforscher erhoffen sich davon Aufschluss darüber, wie man landwirtschaftliche Gebäude besser konstruieren und wie man gleichzeitig die Umgebung vor Belästigungen schützen kann. Bislang waren die Wissenschaftler dafür auf einfachere Modelle angewiesen. „Das Wissen über die Strömungsverhältnisse ist noch nicht da“, konstatiert Brunsch. Auch mit den jahrelangen Messungen, die das ATB etwa in Storkow vornimmt, sei man nicht wesentlich weiter gekommen: „Da treten Dinge auf, die man sich nicht erklären kann.“ Ein Grund für die Schwierigkeiten: Die Windverhältnisse in der Natur sind so wechselhaft, dass wissenschaftlich belastbare und reproduzierbare Daten praktisch nicht zu erheben sind.

Solche Daten sind aber allein schon für die Genehmigungen von Bauvorhaben notwendig. „Wir brauchen unbedingt Ergebnisse“, sagt etwa der Diplom-Ingenieur Wilfried Eckhof. Sein Büro in Ahrensfelde plant pro Jahr zwischen 50 und 100 Neubauten und Sanierungen für Landwirtschaftsbetriebe. Für jedes Projekt muss das Büro nachweisen, dass die Grenzwerte – zum Beispiel bei der Geruchsbelästigung – eingehalten werden.

Im neuen Windkanal können jedoch nicht nur die Emmissionen nach außen bestimmt, sondern etwa auch Modelle zur Belüftung innerhalb von Gebäuden getestet werden. Auch die Auswirkung von Wind auf Bauwerke oder Bäume kann untersucht oder Extremwindsituationen analysiert werden.

Bei der gestrigen Eröffnung des neuen Windkanals konnte ATB-Chef Brunsch bereits den nächsten Zuwendungsbescheid von der Investitionsbank des Landes Brandenburg entgegennehmen: Die 1,5 Millionen Euro, davon 1,2 Millionen EU-Gelder, sollen in die Einrichtung des „Frische-Technikums“ fließen. Dort soll unter anderem erforscht werden, wie kontaminierte Lebensmittel – Stichwort Ehec – ohne Qualitätsverlust wieder keimfrei gemacht werden können, sagte Brunsch den PNN. Jana Haase

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