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Homepage: Im Hochseilgarten der Migration FH-Wissenschaftlerin untersucht Integration

Schulklassen und andere Gruppen seien meistens konstruiert, findet Elisabeth Kirndörfer. Die Schüler kämen schließlich nicht freiwillig zusammen, sondern würden mehr oder weniger bunt zusammengewürfelt.

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Schulklassen und andere Gruppen seien meistens konstruiert, findet Elisabeth Kirndörfer. Die Schüler kämen schließlich nicht freiwillig zusammen, sondern würden mehr oder weniger bunt zusammengewürfelt. Konflikte seien deshalb vorprogrammiert. Bei der Frage, wie die Schüler damit umgehen, spiele der kulturelle Hintergrund zwar eine Rolle, aber keine so große wie bisher angenommen.

Die Wahrnehmung und der Umgang mit Migration sind das Thema der Sozialwissenschaftlerin Elisabeth Kirndörfer von der Fachhochschule Potsdam. Sie hat den Blick speziell auf Brandenburg gerichtet. Dies, obwohl die Dringlichkeit des Themas für Brandenburg nicht auf den ersten Blick ersichtlich sei. Förderanträge zur Unterstützung interkultureller Projekte in Brandenburg würden in Brüssel häufig eher skeptisch beäugt, mit dem Hinweis darauf, dass es sich doch um ein kleineres Problem handele, stellt Kirndörfer fest.

Völlig randständig ist das Thema jedoch nicht. Im Jahr 2011 leben bei einer Gesamtbevölkerung von rund zweieinhalb Millionen Einwohnern etwa 70 000 Migranten in Brandenburg. 467 Personen wurden eingebürgert, der größte Anteil davon waren ukrainische Migranten. Es geschieht einiges, um das Miteinander von Migranten und Deutschen einträglich zu gestalten. Bereits 2007 stellte die Bundesregierung einen nationalen Integrationsplan vor, der rund 400 „Maßnahmen und Selbsthilfeverpflichtungen“ enthielt. Einige Projekte starteten in Brandenburg. Rund um den Potsdamer Neuen Markt fand im Jahr 2008 ein Zukunftslabor statt, bei dem an fünf Tagen darüber gesprochen wurde, wie ein „offenes und vielfältiges“ Brandenburg aussehen kann. Der Landesintegrationsrat unterstützt die Landesregierung in Fragen der Zuwanderung. Mit einem Einbürgerungsfest wird jeweils der Erwerb der Staatsangehörigkeit der neuen Mitbürger gefeiert.

Zahlreiche Übungsgruppen und Ferienfreizeiten örtlicher Sportvereine fördern ebenfalls Verständnis füreinander. Was allerdings Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund keinen Abbruch tut. Zwar würden alle diese Projekte jeweils danach schauen, wo welche Diskriminierung stattfinde, stellt Kirndörfer fest. Aber auch die Berücksichtigung der verschiedenen Diskriminierungen, sei es wegen Sprachschwierigkeiten oder anderer Hautfarbe, sei nicht immer der Königsweg zum harmonischen Gemeinwesen. „Es ist Zeit für Selbstkritik“, findet die Sozialwissenchaftlerin. Ein Migrationsprojekt, das sich zu einem Kletterausflug in einem Hochseilgarten entschlossen habe, schließe notwendigerweise den migrantischen Rollstuhlfahrer jedenfalls von den Kletterübungen aus. Auch das sei eine Diskriminierung.

Kirndörfer hat verschiedene Migrationsprojekte in Brandenburg begleitet. Dass die Probleme im Miteinander häufig an ganz anderen Stellen liegen, als vermutet, musste sie dabei feststellen. Nicht die Religion oder die Hautfarbe, waren der Streitpunkt. Denn so sehr unterscheide sich die Mentalität der in Brandenburg meist aus osteuropäischen Staaten stammenden Zuwanderer gar nicht von der deutschen. Es ginge häufig um ganz banale Gruppenprobleme wie körperliche Stärke und gutes Aussehen. Auch in einer rein deutschen Schulklasse könne die „Brillenschlange“ abseits stehen.

Eine beispielhafte Lösung für die Integration unterschiedlicher Mentalitäten hat Kirndörfer mit dem Konzept der „Kreolisation“ erforscht. Auf den karibischen Inseln, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder von verschiedenen Völkern erobert wurden, hat sich aus englischer, spanischer und verschiedenen afrikanischen Sprachen ein einzigartiges Sprachgemisch und eine eigenständige, zusammengeschmolzene Kultur gebildet: das Kreolisch. Die Verschmelzung sei vielleicht eine Lösung, meint Kirndörfer. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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