zum Hauptinhalt
Ghazales Mohseni-Yosofi hat vor vier Jahren ihre Heimat Iran verlassen. Seit zwei Jahren lebt sie im Wohngebiet Am Schlaatz. Inzwischen ist die aus dem Iran stammende Frau evangelisch getauft.

© Ottmar Winter

Serie "Potsdam schenkt": Im Iran fühlte sie sich nicht frei

Ghazale Mohseni-Yosofi geriet im Iran mit den Sittenwächtern aneinander. In Deutschland kann sie selbstbestimmt leben – doch ganz sorgenfrei ist sie auch hier noch nicht.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Geben bringt Segen: Zur Weihnachtszeit den Nächsten helfen - das wollen wir, die Potsdamer Neuesten Nachrichten, gemeinsam mit Ihnen, unseren Lesern. Wir stellen Ihnen an dieser Stelle Menschen vor, die es nicht leicht haben im Leben – sei es, weil sie aus problematischen Familienverhältnissen kommen, weil sie krank sind oder weil sie aus ihrer Heimat fliehen mussten, um Krieg und Gewalt zu entkommen. Wir haben diese Menschen getroffen und sie gefragt, was ihnen eine Freude machen würde – und bitten Sie, liebe Leser, um Mithilfe bei der Erfüllung dieser Weihnachtswünsche. 

In Deutschland fühlt sie sich frei

Dass Ghazales Mohseni-Yosofis Lebensstil nicht den Vorstellungen der Sittenwächter in ihrer Heimat Iran entsprochen hat, glaubt man ihr sofort. Bei dem Treffen mit der Reporterin in Potsdam ist sie sportlich angezogen, trägt Jeans und Kapuzenpulli, die am Ansatz blondierten Haare zeigt sie offen, ein Kopftuch trägt sie nicht. „Im Iran wäre das undenkbar“, sagt sie. „Aber in Deutschland bin ich frei.“

Vier Jahre ist es nun her, dass die 34-Jährige ihre Heimat verlassen musste und sich gemeinsam mit ihrem damals zehnjährigen Sohn auf nach Europa machte. In Maschhad, der zweitgrößten Stadt im Iran, hatte sie zuletzt studiert und gearbeitet, doch angebliche Freunde machten ihr das Leben schwer. Unter anderem verrieten sie sie an die Polizei und behaupteten, Ghazale nehme es mit der Religion nicht genau genug. Auch die Tatsache, dass sie als Frau arbeitete, war vielen offenbar ein Dorn im Auge. Und dann noch die Scheidung vom Vater ihres Sohnes. „Frauen haben im Iran keine Rechte“, sagt sie. „Männer dürfen zwei oder sogar drei Frauen haben, Frauen dürfen nichts.“ Zwei Jahre lang kämpfte sie vor Gericht für die Scheidung. 

Nach zwei Jahren eine eigene Wohnung

Was genau sie zur Flucht brachte, kann oder will Ghazale nicht sagen. Nur so viel: „Ich hatte viele Probleme mit der Polizei. Wäre ich nicht gegangen, wäre ich ins Gefängnis gekommen, vielleicht für immer“. Also entschloss sie sich zu gehen, schweren Herzens. Wohin, war ihr erstmal egal. „Hauptsache weit weg vom Iran.“ 

Zu Fuß und mit dem Bus kamen sie und ihr Sohn nach Europa, über Umwege landeten sie schließlich in München. Von dort wurden sie immer weiter gereicht, bis sie irgendwann in einer Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg/Havel landeten. Nach zwei Jahren fanden die beiden dann eine eigene Wohnung im Stadtteil Am Schlaatz. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Ghazale. Die Wohnung ist groß genug, ihr mittlerweile 14-jähriger Sohn geht auf die nahe Gesamtschule und spricht gut Deutsch – während ihr eignes noch etwas holpert. 

Inzwischen ist die getauft

Daran will Ghazale jetzt arbeiten, damit sie einen Job findet. Ihr Traum wäre eine Stelle in der Flugbranche, als Stewardess in der Luft oder am Boden. Bald fängt der nächste Deutschkurs an – und auch im Begegnungscafé Babelsberg ist sie immer wieder, auch dort wird Deutsch gesprochen und geübt. „Günter und Martina sind sehr nett und haben mir schon oft Hilfe angeboten“, sagt sie über das Ehepaar, das die sonntägliche Veranstaltung der Evangelischen Kirchengemeinde Babelsberg in der Karl-Liebknecht-Straße vor über vier Jahren ins Leben gerufen hat. Ghazale selbst ist mittlerweile auch Christin geworden, vor rund zwei Jahren wurde sie getauft. „Im Christentum fand ich fast alles, was ich von einer Religion erwartete“, sagt sie mithilfe eines Online-Übersetzungsportals. Am Islam kritisiert sie vor allem die vielen Verbote. „Und am Ende hält sich sowieso niemand daran“.“ 

Sorgen bereitet ihr ein wenig der Sohn. Er spreche gutes Deutsch, sagt Ghazale. Aber in der Schule hat er dennoch Probleme, die Noten seien oft schlecht. „Im Iran habe ich ihm immer bei den Hausaufgaben geholfen, aber hier kann ich es wegen der Sprache nicht“, sagt sie. Am meisten Spaß hat Yashar am Fußballspielen, drei Mal die Woche trainiert er beim FSV Babelsberg 74 in der U16-Mannschaft. In diese Richtung geht auch Ghazales Weihnachtswunsch: Yashar will im Sommer unbedingt mit ins Trainingslager nach Lindow (Mark) fahren, doch die Kosten von 268 Euro kann Ghazale nicht alleine stemmen.

Hinweis: Ghazale hat sich einen Zuschuss für das Trainingslager ihres Sohnes Yashar gewünscht. Dank zahlreicher Überweisungen es bezahlt werden _ ebenso wie eine komplette neue Ausstattung mit Fußballklamotten. Ghazale und die Redaktion bedanken sich ganz herzlich bei allen Lesern!

Die anderen Folgen von "Potsdam schenkt": 

Mama von 11 bis 22 Uhr 

Der Junge vom Film

Nach 20 Jahren die erste eigene Wohnung

Managerin des Alltags

Masihs Weg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false