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Homepage: Im kosmischen Spinnennetz

Axel Schwope erforscht die „Dunkle Energie“ und lässt Röntgenteilchen in Goldröhren springen

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Die Röhre ist spiegelglatt. Poliertes Gold, erklärt Axel Schwope: „Das reflektiert besonders gut.“ Aus den glänzenden Röhren soll ein Röntgenteleskop entstehen. Je 54 Röhren werden dafür ineinander geschachtelt. „Wie Matrjoschkas“, sagt der Wissenschaftler des Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP). Die dickste Röhre hat einen Durchmesser von 36 Zentimetern, die kleinste immerhin noch acht Zentimeter. Sieben solcher Röhrenmatrjoschkas zusammen ergeben „eROSITA“ (extended ROentgen Survey with an Imaging Telescope Array). So heißt das Röntgenteleskop, das Ende 2011 vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur aus in die Erdumlaufbahn geschossen werden soll.

Fünf Jahre lang soll eROSITA in 600 Kilometern Höhe kreisen – und dabei ein Röntgenbild des Weltalls aufnehmen: Eine Karte über die Röntgenstrahlung aus dem All. Die hochenergetische Strahlung entzieht sich normalerweise der Beobachtung: Mit bloßem Auge ist sie nicht sichtbar. Auch ein normales Spiegelteleskop hilft nicht weiter, wie Axel Schwope erläutert: Denn die Röntgenphotonen werden von der Spiegelschale einfach verschluckt. Sie versinken darin wie Steine, die man in einen See wirft, erklärt der Astrophysiker. Mit dem Röntgenteleskop dagegen können sie zum „Fitscheln“ gebracht werden: Trifft die Röntgenstrahlung in einem ganz kleinen Winkel – zwischen ein und drei Grad – auf eine hochpolierte Oberfläche, gibt es Reflektionen. Deshalb also die Röhrenform. Darin springen die Teilchen – genau wie fitschelnde Steine – noch zweimal, ehe sie von einer CCD-Kamera hinter der etwa unterarmlangen Röhrenkonstruktion aufgezeichnet werden können.

21 Millionen Euro lässt sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die eROSITA-Mission kosten. Schwope kümmert sich mit seinem fünfköpfigen Team am AIP um den „Startracker“, eine Sternenkamera am Teleskop, die später zur Positionsbestimmung gebraucht wird. Ziel der Mission unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Extraterrestische Physik in Garching ist die Erforschung der so genannten „Dunklen Energie“. Offenbar keine leichte Aufgabe, denn „was das ist, wissen wir noch nicht“, erklärt Axel Schwope: „Die Suche danach ist in vollem Gang.“ Vor fast zehn Jahren sind die Forscher erstmals auf die dunklen Kräfte aufmerksam geworden: Damals stellte sich heraus, dass das Universum sich nicht – wie vorher vermutet – immer langsamer ausdehnt, sondern im Gegenteil immer schneller auseinanderdriftet. Die Wissenschaftler standen vor einem Rätsel: „Wer oder was treibt es an?“ Die „Dunkle Energie“ – so die Arbeitshypothese. Sie soll insgesamt 73 Prozent der Masse des Universums ausmachen, sagt Schwope.

Aus den Aufzeichnungen des Teleskops eROSITA erhofft sich der Wissenschaftler Erkenntnisse über neue Galaxiehaufen, aber auch Aufschluss über die Räume dazwischen: Ungewöhnlich große Hohlräume – die so genannten „voids“ – in denen es scheinbar keine Materie gibt. Schwope vergleicht die Struktur des Alls mit einem „kosmischen Spinnennetz“: An dessen Knoten sitzen die Galaxienhaufen.

Hier gibt es noch ein weiteres ungeklärtes Phänomen. Denn durch das Röntgenteleskop sieht so ein Galaxienhaufen viel größer aus als mit dem normalen Teleskop, berichtet Schwope. „Der ganze Himmel scheint zu brennen.“ Die Erklärung: Der Raum zwischen den Galaxien ist gefüllt mit „10 000 000 Grad heißem Gas“ – das ist so heiß, dass es nur für Röntgenteleskope sichtbar ist. Für die Astrophysiker, die aus der Temperatur die Masse bestimmen können, steht fest: „Da ist viel mehr Masse versammelt als in den für das Auge und normale Teleskope sichtbaren Galaxien.“

Es muss also auch „Dunkle Materie“ geben, so der Umkehrschluss. Mittlerweile gehen die Wissenschaftler davon aus, dass nur vier Prozent der gesamten Masse des Universums aus sichtbarer Materie besteht, erklärt Axel Schwope. Der Rest sind Dunkle Materie und Dunkle Energie. Im Alltagsleben mache sich das nicht bemerkbar, beruhigt Schwope. Als Astrophysiker berührt es ihn allerdings schon, „dass der Horizont der Erkenntnis doch so nah liegt“. Die Entdeckung der dunklen Seiten des Alls erfüllt den Physiker mit Respekt, reizt aber gleichzeitig seinen Forschergeist. „Das Studium der Dunklen Materie beginnt gerade“, sagt Schwope und prognostiziert: „Die wissenschaftliche Analyse wird viele Jahre dauern.“

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