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Links und rechts der Langen Brücke: Im linken Abseits

Jan Brunzlow über einen Anruf von Herrn Scharfenberg und seine Zukunft

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Herr Scharfenberg ist am Telefon. Er hat einen Tipp für die Zeitung. In der Waldstadt werden Landtagskandidaten der Linken eine Grünfläche harken. Unter dem Motto Die Linke packt an. Immerhin will sie Reichtum für alle. Das wird Schwerstarbeit, selbst in Potsdam. Eines macht dieser von Scharfenberg angekündigte Termin deutlich – die Zeit des Redens scheint vorbei zu sein. Wie lange schon? Für Pete Heuer, den früheren Kreisvorsitzenden der Linken – gestürzt unter kräftiger Mithilfe von Hans-Jürgen Scharfenberg – zu lange. Er hat nun die Konsequenz gezogen und tritt aus der Linke-Fraktion im Rathaus aus. Das wirft die Frage auf: Was ist los bei den Linken, dass ein Stadtverordneter zwei Wochen vor der Landtagswahl das Handtuch wirft und eine neue Umgangs- sowie Diskussionkultur innerhalb der Partei fordert? Will er damit allein den Wahlkampf Scharfenbergs boykottieren? Es klingt eher nach Verzweiflung, endlich einmal gehört zu werden und wirkliche Veränderungen anzuschieben. Er will weg vom Image der Garagen- und Kleingartenpartei, hin zu einer aufgeschlossenen, in die Zukunft blickenden neuen Linken in Potsdam. Mit Sicherheit spielt es für Heuer auch eine Rolle, Scharfenbergs Macht einzuschränken, als Landtagskandidaten zu verhindern und ihn damit als linken Oberbürgermeisterkandidaten im nächsten Jahr unmöglich zu machen. Eigene Ambitionen sind nicht der Antrieb Heuers, eher der Wille eines Wechsels bei den Potsdamer Linken. Und damit ist er nicht der Einzige – weder innerhalb der Fraktion noch innerhalb der Partei. Doch das Konglomerat um Scharfenberg hält an den Traditionen fest und bestimmt die öffentliche politische Darstellung. Und die ist geprägt, obwohl sie die stärkste Kraft in der Stadt ist, von einer permanenten Unterdrückung durch andere Parteien. Als ob die Linken von SPD, CDU, FDP und Grünen gefoltert werden. Dabei ist es häufig genau umgekehrt, denn die Linke hat nicht mehr den Einfluss wie in der Zeit vor der Kommunalwahl 2008. Den hat die Linke gewonnen, hat sich eine gute Ausgangsposition zum Regieren verschafft und anschließend alles verloren. Den Vorsitz der Stadtverordnetenversammlung, die Chance auf die Besetzung von Beigeordnetenposten und die Möglichkeit des Mitregierens. Stattdessen ist sie durch eine Anti-Scharfenberg-Kooperation aus SPD, CDU, FDP, Familienpartei und Bündnisgrüne ins linke Abseits gedrängt. Sie da wieder rauszubekommen, glaubt Heuer mit einem Führungswechsel in der Fraktion zu schaffen. Nicht nur er erwartet im Landtagswahlkampf mehr als Harken in der Waldstadt.

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