Gerade ging die Probe zu Ende, Margitta Burghardt pausiert bei einem Kaffee auf der Terrasse im Treffpunkt Freizeit. „Wir dürfen den Gemütlichkeits-Song spielen“, sagt sie erfreut. „Sie kennen den: Versuch’s mal – mit Gemütlichkeit“, singt die Theaterleiterin an. Für das neue Stück, „Das Dschungelbuch“, wofür nun langsam die Proben beginnen, hat sie deshalb kürzlich mit dem Disney-Verlag verhandelt.
Seit 25 Jahren geht die Frau mit der Theaterleidenschaft in dem Haus am Heiligen See ein und aus. Es hieß noch Pionierhaus, da wurde dort am 1. März 1989 das Kindermusiktheater Buntspecht gegründet – auf Initiative der Musikpädagigin Margitta Burghardt. „Es war ideal – alles an einem Ort, großer Saal mit Bühne, Schneiderwerkstatt, was man so braucht“, sagt die heute 54-Jährige. Aus der übersichtlichen Gruppe mit zunächst 20 Kindern, die im ersten Jahr immerhin gleich ein Stück, „Die dankbaren Tiere“, aufführten, ist mittlerweile eine feste Institution im Kinder- und Jugendfreizeitbereich in Potsdam geworden. Heute zählt die Gruppe 150 Kinder, und viele von ihnen sowie ehemalige Teilnehmer, Freunde und Wegbegleiter werden am morgigen Sonntag das Jubiläum mit einem öffentlichen Sommerfest feiern – im Treffpunkt Freizeit von 11 bis 22 Uhr.
Dass sie immer noch da sind, das Theater nicht abgewickelt oder an einer Schule untergebracht wurde, das ist der Beharrlichkeit der Leiterin, aber auch aller Beteiligten, der Eltern und des Fördervereins, zu verdanken. Die Kinder selbst, so Burghardt, verfassten 1997 einen Protestbrief an die Stadtverwaltung, damit das Haus nicht abgewickelt wird. Und als die Truppe zehn Jahre später wieder vor dem Aus stand, rettete ein Trägerwechsel die Buntspechte, die jetzt zum Bürgerhaus am Schlaatz gehören, aber weiterhin im Haus am See proben und spielen. „Wir schreiben heute eine schwarze Null – und finanzieren uns dabei selbst, über Mitgliedsbeiträge und Spenden“, sagt Tilo Wünsche, Fördervereinsvorsitzender. Die Personalkosten für die Stelle der Leiterin trage die Stadt.
Etwa 16 Aufführungen mit zwei Besetzungen wird es auch in dieser Weihnachtssaison geben, schon jetzt werde nach Karten für die meist ausverkauften Vorstellungen gefragt. „Wir könnten noch häufiger spielen, aber das geht logistisch nicht. Wenn jedes Kind achtmal auftritt – das ist sehr anstrengend.“ Und dennoch oder gerade deswegen kann sich die Gruppe vor Neuanfragen kaum retten. Aber irgendwo ist leider Schluss, sagt Burghardt, mehr als 150 Kinder – das geht nicht.
Mit 70 Kindern und vielen Eltern waren sie über Himmelfahrt im traditionellen Probenlager an der Ostsee: Um über das neue Stück nachzudenken, zum Basistraining mit beispielsweise Aktions- und Reaktionsübungen. „Es ist ja nicht so, dass wir nur um Weihnachten herum aktiv werden. Wir arbeiten das ganze Jahr und haben Auftritte. Wir waren auf der Grünen Woche, haben bei der Aktion Gedeckter Tisch in der Nikolaikirche gespielt.“ 2008 gaben die Buntspechte sogar mehrere Gastspiele am Berliner Schillertheater, eine tolle Erfahrung, mal in so einem großen Haus mit einer großen Bühne zu spielen, auch wenn es kostentechnisch und logistisch aufwendig war, weil eine extra Kulisse angefertigt und mehr Licht besorgt werden musste.
All das wäre nicht zu schaffen ohne die Unterstützung der Eltern, die Kostüme nähen, oder die Kinder – die jüngsten sind gerade drei Jahre alt – während der Probenpausen betreuen. Dazu kommen Honorarkräfte und manche Profis. Ohne professionelles Fluggeschirr hätte Peter Pan 2009 nicht über die Bühne schweben können. In den Anfangsjahren kooperierte man mit dem Hans Otto Theater, Regisseurin Ingrid Kentsch machte Regie, Margitta Burghardt die musikalische Einstudierung. Diverse Potsdamer Tanzstudios übernahmen die Choreografie und Einarbeitung, bekannte Potsdamer Musiker wie Olaf Mücke und Peter Eichstätt texten und schreiben bis heute der Gruppe ihre zauberhaften, kindgerechten Lieder auf den Leib. 1996 führten sie „Teddy Brumm“ auf, das erste Stück, das Burghardt selbst entwickelt hatte. 33 Stücke waren es insgesamt in den 25 Jahren, anfangs Märchen, Revuen zu Ostern und Weihnachen, später auch Stücke für die Jugendgruppe Teens und die Eltern-Theatergruppe Fallobst, die es seit wenigen Jahren gibt.
Neben dem Spaß am Spiel, der Lust, Schauspiel, Musik und Tanz zu verbinden, ist ihnen das Gemeinschaftsgefühl wichtig, dass die Teens und Erwachsenen Auftritte bei den Kleinen haben, dass man zusammen, Eltern und Kinder, Zeit verbringt und dabei etwas auf die Beine stellt. Doch die Theaterleiterin lässt auch keinen Zweifel daran, dass ihr Verlässlichkeit und ein gewisser Grad an Disziplin wichtig sind. Zu den Proben sollte man schon pünktlich sein. Und dennoch sagte mal ein kleines Mädchen: „Ich will keine berühmte Schauspielerin werden, ich will Frau Burghardt werden.“ Darüber freute sie sich. Und natürlich auch darüber, dass einige Buntspechte mittlerweile Profis geworden sind. Tino Hillebrandt, der 2001 mit neun Jahren den Kleinen Muck spielte, ist heute am Wiener Burgtheater, Hannes Wegener – „der hat als Baum bei uns angefangen!“ – studierte an der Potsdamer Filmhochschule und ist nun als Film- und Fernsehschaupieler gut im Geschäft. Und Felix Wohlfahrt, zwölf Jahre Buntspecht, ist Zauberkünstler geworden, beim morgigen Sommerfest wird er auftreten.
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