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Landeshauptstadt: Im November sind nicht nur Mauern gefallen Geschichte erlebt: Zeitzeugen berichteten

Groß Glienicke – Johannes Martin ist vor 70 Jahren in Potsdam geboren, 1960 nach Westberlin geflüchtet und lebt seit einigen Jahren in Groß Glienicke. Für ihn hat der Monat November zwei Seiten, eine braune und eine glückliche.

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Groß Glienicke – Johannes Martin ist vor 70 Jahren in Potsdam geboren, 1960 nach Westberlin geflüchtet und lebt seit einigen Jahren in Groß Glienicke. Für ihn hat der Monat November zwei Seiten, eine braune und eine glückliche. „An den neunten November 1938 kann ich mich noch erinnern“, erzählte er zum Gedenktreffen des SPD-Ortsvereins in dieser Woche. Er hatte gemeinsam mit seiner Mutter von der anderen Seite des Platzes aus die Übergriffe der Nazis auf die Synagoge neben der Hauptpost beobachtet. Auch das nächste Erlebnis, das Zusammentreiben von Juden am Bahnhof Wannsee, wird er nie vergessen können, sagt er. Das war 1943 nach der Wannsee-Konferenz. Ein Zeitsprung führt ihn dann zwar nicht zum nächsten 9. November, aber in persönliche Gefahr. Während des Studiums an der Berliner Humboldt-Universität hielt er als engen Kontakt zu den Falken in Westberlin. Es währte nicht lange, und da standen die entsprechenden „Herren“ mit einer Warnung vor seiner Tür. So entschloss sich Johannes kurz darauf zur Flucht über die Sektorengrenze, das war zu dieser Zeit noch möglich. Wenig später war die Grenze dicht. Für Johannes war nun klar, dass er hier helfen muss. Dadurch gelang einigen jungen Leuten von Ostberlin aus die Flucht. Johannes wurde vom Staatssicherheitsdienst identifiziert und mit einem 25 Jahre währenden Haftbefehl gesucht. Auch nach dem Berliner Abkommen 1970 musste er vorsichtig sein, Besuche der alten Heimat waren auch nach Ablauf der Frist kaum denkbar. So wurde der 9. November 1989 mit der Öffnung der Berliner Mauer für ihn zu einem seiner glücklichsten Tage im Leben. Ende der 90er Jahre wollte er zurück nach Potsdam ziehen. Inzwischen war der heimatliche Baugrund jedoch einfach zu teuer, und so lebt er nun mit seiner Familie in Groß Glienicke. Naturgemäß konnten sich an diesem Abend nur wenige an diese beiden Eckdaten deutscher Geschichte erinnern. Der 83-jährige Georg Bardeleben hat den Tag der Judenpogrome als 17-jähriger Bursche in Berlin erlebt, wo es nach seiner Erinnerung richtig zur Sache ging. Das hat ihn aber damals kaum gewundert, denn „diesen Rassenwahnsinn mussten wir doch in der Schule lernen“, erinnert er sich. Hitlers „Mein Kampf“ war Pflichtlektüre, und „da stand doch schon alles ganz genau drin“. Das Buch hatte Hitler bekanntlich während seiner Festungshaft geschrieben, nachdem er am 9. November 1923 nach seinem gescheiterten Putsch in München verhaftet wurde. Daran erinnerte Uwe Stab an diesem Abend. Der 9. November ist ein geschichtsträchtiges Datum für die Deutschen, denn fünf Jahre zuvor musste am gleichen Tag der letzte deutsche Kaiser abdanken. In den Mittagsstunden rief Scheidemann am Reichstag die erste deutsche Republik aus, wenige Stunden später Karl Liebknecht zur Revolution auf und spaltete damit die Arbeiterbewegung. 70 Jahre zuvor wurde die Demokratie noch mit massiv Füßen getreten, hatte Daniel Dörr herausgefunden. 1848 wurde an diesem Tag Robert Blum erschossen, obwohl er Mitglied der ersten Deutschen Nationalversammlung war und sich vehement für demokratische Rechte eingesetzt hatte. gut

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