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Aus dem GERICHTSSAAL: Im Slalom über die Bahngleise

Auto prallte mit Lok zusammen / Geldstrafe

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Es ist der Alptraum eines jeden Lokführers. Der aus Brandenburg kommende Regionalexpress erfasste am 25. August 2009 um 6.44 Uhr mit knapp 140 Stundenkilometern ein Auto auf den Gleisen am Kuhforter Damm. Der blaue Mitsubishi hatte dort nichts zu suchen. Schließlich stand das Signal für den Regio auf grün. Die Halbschranken am Bahnübergang waren geschlossen, die rote Warnlampe leuchtete. Dass der Autofahrer – ein in Berlin lebender Amerikaner – bei dem Zusammenprall lediglich Rippenbrüche erlitt, grenzt an ein Wunder. Der Lokführer und die 200 Fahrgäste des Zuges kamen mit dem Schrecken davon.

„Beim Betrachten der Bilder in der Akte kriege ich Gänsehaut“, äußerte sich Amtrichterin Kerstin Nitsche während der gestrigen Verhandlung. Bereits vor Monaten gab es einen Termin. Weil sich der Angeklagte John J.* (54) beim besten Willen nicht mehr daran erinnern konnte, die geschlossene Halbschranke aus Richtung Wildpark umfahren zu haben, dann von dem Regionalexpress erfasst worden zu sein, wurde das Verfahren ausgesetzt und ein Gutachter eingeschaltet. Der kam jetzt zu dem Schluss: John J. sei an jenem Morgen wahrscheinlich von einer Panikattacke befallen worden. Dennoch sei er in seiner Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen. Trotz der gravierenden Folgen – die Gesamtkosten des Unfalls auf den Gleisen beliefen sich auf über 32 000 Euro – verurteilte ihn das Gericht wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr lediglich zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro. Die Fahrerlaubnis, auf die der Farbige seit dem Tattag verzichten muss, bleibt noch drei Monate in amtlicher Verwahrung.

John J. sprach von bösem Stress an besagtem Tag, einer Umleitung durch das ihm unbekannte Potsdam, Orientierungsproblemen und der Angst, zu spät auf seiner neuen Arbeitsstelle zu erscheinen. Wegen hohen Blutdrucks sei ihm am Steuer schwindlig geworden. Danach wisse er nichts mehr. Seine Erinnerung setze erst wieder ein, als er aus seinem zertrümmerten Auto gezogen wurde. Bei dem als Zeugen geladenen Lokführer entschuldigte sich der Angeklagte während der Verhandlung. „Ich denke jeden Tag daran, was noch alles hätte passieren können“, sagte er.

Cornelia C.* (60) stand an diesem Morgen mit ihrem Opel Corsa wartend vor der geschlossenen Halbschranke. „Der blaue Pkw kam zügig hinter mir vor und fuhr Slalom durch die Schranken“, erinnerte sie sich im Zeugenstand. Der psychiatrische Gutachter attestierte dem Amerikaner einen besonderen emotionalen Zustand an diesem Morgen. Eine plausible Erklärung für seine Gedächtnislücke könne der Unfall sein. (*Namen geändert.) Hoga

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