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Links und rechts der Langen Brücke: Im Zweifel kein Krieg

Links und rechts der Langen Brücke Guido Berg über den Erinnerungsmut der Deutschen Die Verspannungen lassen nach, die Blockaden lösen sich, die Deutschen beginnen über die schlimmsten Kapitel ihrer Geschichte zu reden. Im 60.

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Links und rechts der Langen Brücke Guido Berg über den Erinnerungsmut der Deutschen Die Verspannungen lassen nach, die Blockaden lösen sich, die Deutschen beginnen über die schlimmsten Kapitel ihrer Geschichte zu reden. Im 60. Jahr nach Kriegsende rekapitulieren die Medien den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust in einem riesenhaften Ausmaß, herausgefordert durch ein außerordentliches, alle demokratischen Lager und Ideologien überspannendes Interesse. Die hohe Zeit der Historie wird beflügelt durch mehrere Faktoren: Zum einen weilen die Täter nicht mehr unter uns, jedenfalls nicht mit Vitalität und dem Einfluss, der Angst machen könnte. Auch verlieren nach dem Ende des Kalten Krieges die Ideologien ihre Mächtigkeit. Dadurch werden neue Fragen möglich: Inwieweit war die Wehrmacht an der Judenermordung beteiligt? Waren Bombenangriffe auf deutsche Städte ethisch gerechtfertigt? War das Kriegsende eine Befreiung für die Deutschen? Wenn ja – auch für die Ostdeutschen? Tabuthemen wie die Vergewaltigungen deutscher Frauen durch sowjetische Soldaten werden nun aufgegriffen. Im Film „Der Untergang“ wird ein Hitler gezeigt, der sich bei der Köchin für ein Essen bedankt, dass ihm gut schmeckte. Hitler, das Ungeheuer, war ein Mensch. Nichtzuletzt brechen nun die Zeitzeugen ihr Schweigen, weil sie wissen, dass nach ihnen nur noch die Geschichtsbücher kommen. Vielleicht reden sie über ihre schlimmen Erfahrungen nun auch deshalb, weil ihre Zuhörer, die Enkel, nicht mehr diesen vorverurteilenden Rechthaber-Habitus an den Tag legen, wie noch die 68er (deren Funktion für die Entwicklung der Bundesrepublik hier nicht geschmälert werden soll). Die gegenwärtigen Debatten um Schuld auf Seiten der Befreier, Opfer auf Seiten der Täter, werden viele und auch neue Antworten hervorbringen. Doch wohin das Pendel je nach politischem Standort des Antwortenden auch ausschlägt – der goldene Faden in allen Resümees kann nur die Ächtung des Krieges an sich sein. Krieg darf nicht sein. Denn er ist das Labyrinth, in dem Anstand, Würde, Selbstachtung, Humanität, Freiheitsliebe verloren gehen. Wer schießt, tötet – und nicht immer den Richtigen. Und ob die Wahl, wer der Richtige ist, für alle Zeit eine gute Wahl bleibt, ist zweifelhaft. Wer (ge)denkt, der zweifelt. Und wer zweifelt, schießt nicht.

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