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Landeshauptstadt: Immer Babelsberg

Tausend Gäste bei der Geburtstagsfeier der Film- und Medienstadt in der Metropolishalle

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Frank Schöbel ist nach eigenem Bekunden gern zur Feier in die Metropolishalle gekommen. „Hundert Jahre Filmstadt, das ist doch schon was“, sagt der wohl berühmteste Schlagerstar der DDR, der im nächsten Jahr 70 wird. Ob ihm das Programm gefallen habe? „Nicht alles, aber das Beste war diese Frau, deren Namen weiß ich leider nicht ...“

„Diese Frau“ ist die Potsdamer Kabarettistin Barbara Kuster. Sie begeistert die knapp tausend Gäste in der Metropolishalle am Samstag mit einem energiegeladenen Auftritt. Als „Frau aus dem preußischen Epizentrum“ nimmt sie die Preußentugenden sarkastisch auf die Schippe, singt im Tina-Turner-Stil ein Lob auf Babelsberg, parodiert und persifliert Marlene Dietrich, die mit ihren langen Beinen an die Front musste, zieht den Rock hoch und zeigt die eigenen stämmigen Beine: „Damit bringt mich niemand nach Afghan...“ Viel Beifall erntet die Künstlerin für ihr Programm, von dem am 30. November im Waschhaus mehr zu erleben ist.

Der hoch gewachsene Friedhelm Schatz, der Chef des Filmparks, ist mit seinem Lockenkopf unübersehbar präsent. Vor allem die „Leute hinter der Kamera und die den Standort geprägt haben“ habe er eingeladen, um ihnen zu danken. Ministerpräsident Matthias Platzeck gratuliert Schatz nachträglich zum 60. Geburtstag vor drei Tagen. Der Filmpark-Chef sei ein „ausgesprochen guter Kerl“, der „immer einen Traum mehr“ habe als andere. Platzeck hebt hervor, dass Schatz im Festprogramm der Defa-Vergangenheit Tribut gezollt habe. In Richtung Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff spricht der Ministerpräsident von der Bühne aus dessen „kleinen Irrtum“ über die Defa-Filme an. Schlöndorff, von 1992 bis 1997 Geschäftsführer der Studios Babelsberg, war vor einigen Jahren mit der inzwischen von ihm relativierte Bemerkung, wonach die Defa-Filme „furchtbar“ gewesen seien, in die Kritik geraten. Beim jüngsten Neujahrsempfang der Stadt Potsdam hatte Schlöndorff öffentlich Abbitte geleistet.

Er sei mit den Defa-Filmen aufgewachsen, sagt Platzeck, oft musste er zwei- oder dreimal hinsehen, aber „da steckt viel Kunst dahinter“. Er erwähnt ausgerechnet die „Fünf Patronenhülsen“, einem Defa-Film über den spanischen Bürgerkrieg, in dem die Filmhelden, verkörpert von Manfred Krug und Armin Mueller-Stahl, ihre Treue gegenüber dem Willen der Partei geloben.

Sobald ein bekanntes Gesicht in der Gästeschar auftaucht, bestürmen es Kameraleute und Fotografen. Chris Doerk, mit grünem Stirnband und Zöpfen, erste Ehefrau von Frank Schöbel, wird nicht müde, ihr Lachen zu zeigen. Gojko Mitic, Hauptdarsteller der Defa-Indianerfilme, steht wie ein Fels in der Publikumsbrandung. Der markante weißhaarige Kopf des 71-Jährigen erscheint auf der Großleinwand.

Das hundertjährige Jubiläum des Film- und Medienparks Babelsberg führen die Veranstalter auf ein Ereignis aus dem Jahre 1911 zurück. Damals, in der „Kaiserzeit“, ließ der Kameramann und Filmkünstler Guido Seeber (1879-1940) den Grundstein für ein Glasatelier in der Stahnsdorfer Straße legen. Am 12. Februar 1912 begannen in diesem die Aufnahmen zum Film „Der Totentanz“ mit Asta Nielsen (1881-1972). Die Universum Film AG (Ufa) errichtete in den 1920er Jahren die heutige Marlene-Dietrich-Halle. Mit ihren 7500 Quadratmetern zählt diese noch heute zu den größten Ateliers Europas.

Die Jubiläumsfeier brachte die ältesten Filmaufnahmen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts von Guido Seeber auf die Leinwand. Staunend sehen die Zuschauer einen von Pferden durch Chemnitz gezogenen großen Wagen, der mit einer Lokomotive beladen ist. Auf dem ersten Schwenk der Filmgeschichte im Jahre 1900 zeigt Seeber das Verschiffen von Soldaten zur Niederschlagung des Boxeraufstandes in China.

Die „Traumfabrik Babelsberg“, die Guido Seeber mit dem Glashaus begründet hatte, habe sich zu einer „zukunftsorientierten Medienstadt“ entwickelt, heißt es von Filmpark-Chef Schatz: Mehr als 130 Unternehmen aus der Medienwirtschaft hätten sich mit bisher mehr als 2500 Mitarbeitern hier angesiedelt. Knut Elstermann, Moderator der Festveranstaltung, fasst den scheinbar unzerstörbaren Mythos des Filmstandortes, davon mehr als 40 Jahre Sozialismus, salomonisch so zusammen: „Babelsberg war immer Babelsberg, und zwar durch fünf Systeme hindurch.“

Günter Schenke

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