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Potsdamer Wissenschaftler forschen mit den Methoden des Nobelpreisträgers Stefan Hell. Ein entscheidender Fortschritt der Photonik liegt darin, dass sich nun auch lebende Zellen beobachten lassen
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Als die Nobelpreise für Naturwissen- schaften im vergangenen Jahr vergeben wurden, wusste der Potsdamer Physiker Hans-Gerd Löhmannsröben, dass er auf dem richtigen Weg ist. Zwei der Preise zeichneten Forschungsverfahren in einem Gebiet aus, in dem auch die Universität Potsdam einen Schwerpunkt legt: der Photonik, was die Verbindung von Elektronik und Optik umfasst. „Da sind in Zukunft noch große Entdeckungen zu erwarten“, sagt Löhmannsröben. Die Physiker der Universität Potsdam arbeiten mit Methoden, deren Entwicklung der Nobelpreisträger Stefan Hell maßgeblich vorangebracht hat, der Stimulated Emission Depletion-Mikroskopie, kurz STED (siehe Kasten).
Mit neuen Messverfahren werden Strukturen sichtbar, die bisher den Forschern wegen ihrer Winzigkeit entgangen waren. Die Wissenschaft nahm an, dass in der Lichtmikroskopie die Grenze von 200 Nanometern, die so genannte Abbesche Auflösungsgrenze, nicht unterschritten werden könnte, weil sie der Beugungsgrenze des Lichts entsprach. Das entspricht dem 250stel eines Frauenhaars. Der Physiker Stefan Hell hat aber einen Trick ersonnen, wie die Beugungsgrenze übersprungen werden kann: durch die kurzzeitige zweifache Anregung von fluoreszierenden Farbstoffen durch einen Laser, beispielsweise in einer biologischen Zelle. Der beobachtete Punkt wird vom zweiten Strahl sozu- sagen „ausgeschnitten“.
Was sich genau in einer Zelle abspielt, ist immer noch ein Rätsel, aber die Forschung kommt ihm immer mehr auf die Spur, auch in Potsdam. „Der entscheidende Fortschritt der neuen Methode liegt darin, dass lebende Zellen beobachtet werden können“, so Löhmannsröben. Das war mit der bisherigen Rastermikrospkopie nicht möglich. „Dafür mussten wir auf teure, künstlich hergestellte Präparate zurückgreifen.“
Gegenwärtig entwickelt eine Forschungsgruppe am Institut für Chemie/ Physikalische Chemie eine Apparatur, mit der sie das von Nobelpreisträger Hell angewandte Verfahren auch in Potsdam zum Einsatz bringen kann. Zwar wirken die Einzelteile des Supermikroskops noch ein wenig zusammengewürfelt, aber es liefert bereits Bilder, die eine weit höhere Auflösung haben, als alles bisher gekannte.
André Klauß beugt sich über einen schwarzen Kasten, dessen Innenleben aus einer komplizierten Apparatur aus Stangen, Röhren und Leitungen besteht. Zwei der Stangen führen aus dem Kasten heraus zum Mikroskop, das an den technischen Aufbau angeschlossen ist. Ein Blick durch die Linsen des Mikroskops ist wenig aufschlussreich. „Sehen kann man natürlich nichts. Die Strukturen sind viel zu klein“, erklärt Klauß. Das Bild entsteht erst aus einer Berechnung der vom Laser angeregten Lichtemissionen, denn das emittierte Licht ist viel zu gering, um mit dem menschlichen Auge wahrgenommen zu werden. Die Proben, die untersucht werden sollen, werden unter den Linsen des Mikroskops in die richtige Position gebracht. Aufgereiht wie auf einer Schnur leuchten am Computer dann die Punkte auf dem Filament, der fadenförmigen Zellstruktur, die André Klauß am Bildschirm sichtbar gemacht hat. „Das sind subcellulare Strukturen einer Alge“, klärt Klauß auf. Die Lichterkette zeigt, wo sich die Sted-Mikroskopie von der bisherigen Methode unterscheidet. Was früher als zusammenhängender Lichtfaden sichtbar wurde, ist nun in einzelne Punkte aufgegliedert, die wie einzelne Perlen einer Lichterkette vor dunklem Hintergrund leuchten. Die Abbildung, die zunächst einmal hübsch aussieht, aber nicht sonderlich spektakulär erscheint, hat aber einen bedeutenden wissenschaftlichen Hintergrund. Damit wird die Dynamik der Zellmembranen sichtbar, die an bisher verwendeten Materialproben mit dem Elektronenraster nicht hinreichend genau erfasst werden konnten. Nun werde es beispielsweise möglich, viel genauere Aussagen beispielsweise über die Funktion und Wirkungsweise von Proteinen in der Zelle zu treffen, erklärt Löhmannsröben.
Hieraus können sich erhebliche Fortschritte in den Lebenswissenschaften, also den Wissenschaften, die sich mit den Grundfunktionen menschlichen Lebens befassen, ergeben: der Biologie, der Medizin, der Biophysik, der Humanbiologie. Weil sich das Forschungsgebiet quer durch mehrere Wissenschaften erstreckt, sind auch in der Forschungsgruppe von Löhmannsröben in Potsdam Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen versammelt: der Biologe Carsten Hille, der Physiker André Klauß und der Chemiker Roman Flehr. Vorerst allerdings wird nicht unmittelbar am Menschen geforscht, sondern an Algen und der Speicheldrüse der Taufliege. Aus der Drüse entnehmen die Wissenschaftler Material für das Mikroskop. „Wir untersuchen den Motor der Zelle, die Energiespeicherung, die Bindung und Auflösung der chemischen Strukturen. Wo sind die Flüssigkeitsspeicher der Zelle?“, fragt Flehr. Entscheidend sei, dass die untersuchte Zelle selber nur mehr durch den Laser abgetastet, aber nicht verändert werde. Wenn es gelänge, in kleinere Bereiche vorzudringen als bisher, seien ganz neue Erkenntnisse über Zellstrukturen zu erwarten, das habe auch Auswirkungen auf die Medizin, denn: „Jede Krankheit startet irgendwo in der Zelle, und da auch noch in einer bestimmten Region.“
Viele pharmazeutische Wirkstoffe und Medikamente werden erst durch das Verständnis der Wechselwirkungen einzelner Zellbestandteile möglich. So erhoffen sich die Forscher aus Golm Erkenntnisse für Wirkstoffe zur Krebsbehandlung wie auch gegen Herzschwäche. Auch die Verockerung der Spree würde Löhmannsröben gerne mit den neuen Forschungsmethoden untersuchen, und zwar unmittelbar am Fluss. „Dort Proben zu nehmen bringt nicht viel. Entscheidend ist, wie sich das fließende Gewässer und die Chemie in der Natur verhalten.“
Richard Rabensaat
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