GESUNDHEIT: Immer psychisch Kranke in Potsdam
Potsdams hat gute Chancen, die Landesgenehmigung für die Einrichtung einer stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie zu erhalten.
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Potsdams habe gute Chancen, die Landesgenehmigung für die Einrichtung einer stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie zu erhalten. Das erklärte Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger am Rande einer Visite psychiatrischer Einrichtungen der Landeshauptstadt am Dienstag. Die stationäre psychiatrische Behandlung von Kindern und Jugendlichen aus Potsdam und Umgebung erfolgt derzeit in der Stadt Brandenburg.
Die Beigeordnete begründet ihren Optimismus hinsichtlich der Etablierung einer stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie mit 20 Plätzen am Klinikum „Ernst von Bergmann“ mit positiven Signalen während einer ersten Regionalkonferenz. Diese erfolgte im Zuge der vom Land Brandenburg geplanten Erneuerung des Landeskrankenhausplans im Jahr 2013. „Das Land erkennt den Potsdamer Bedarf an“, erklärte Müller-Preinesberger. Es sei nicht zeitgemäß, Potsdamer Kinder aus ihrem Umfeld herauszureißen und in Brandenburg/Havel behandeln zu lassen – „oder noch schlimmer, sie von Teltow aus an Potsdam vorbei nach Brandenburg zu fahren“. Der Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Bergmann-Klinikum, Dr. med. Christian Kieser, bekräftigte den Antrag mit den Erfordernissen einer modernen Psychiatrie, die niederschwellig und wohnortnah sein müsse. Die Beziehungen der stationär aufgenommenen Minderjährigen zur Familie, zu Freunden und zur Schule müssten während der Behandlung erhalten bleiben. In einer Landeshauptstadt sei „eine zeitgemäße Versorgung dringlichst erforderlich“.
Um das Prinzip der wohnortnahen, stationären Behandlung psychisch Erkrankter zu verbessern, will Potsdams Klinikum die mittlerweile auf 109 Betten angewachsene stationäre Psychiatrie bis 2015/2016 an den Hauptstandort in der Charlottenstraße verlegen. Der bisherige Standort In der Aue soll dann für die Seniorenbetreuung zur Verfügung stehen. Chefarzt Kieser zufolge liegt der Standortverlagerung die Idee zugrunde, in der psychischen Erkrankung eine ganz normale, behandelbare Erkrankung zu sehen. Eine „Ausgrenzung des Andersseins“ an den Stadtrand, in einen gesonderten Standort, sei nicht mehr zeitgemäß.
Kieser zufolge hat die Zahl psychisch Erkrankter in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Seien im Jahr 2007 in der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) noch 300 Patienten pro Quartal behandelt worden, waren es im ersten Quartal 2012 bereits 1100 Patienten. Es gebe Hinweise auf eine tatsächlich Zunahme der Erkrankungen. Als Gründe hierfür nennt Kieser die heute geforderte extreme Flexibilität am Arbeitsplatz und die Entsolidarisierung in der Gesellschaft. Allerdings führe auch der erfreuliche Trend der Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen zu erhöhten Patientenzahlen. Oft seien die Patienten von Arbeitslosigkeit bedroht. Die Möglichkeit eines „sinnstiftenden Tuns“ sei daher nach der Entlassung aus dem Krankenhaus von besonderer Bedeutung, so Kieser, der Nietzsche zitierte: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“
Kieser lobte daher Betreuungsangebote mit Werkstätten, wie sie die Tagesstätte Bogen e.V., Am Neuen Garten 17, anbietet. Die Sozialbeigeordnete besuchte gestern diese Einrichtung, die nach Angaben von Bogen-Leiterin Martina Röwekamp ein tagesstrukturierendes Programm anbietet. Psychisch Erkrankte finden in der Villa am Neuen Garten „eine feste Struktur, die Sicherheit bietet“. Martina Röwekamp: „Die Menschen kommen morgens und gehen abends.“ Die Betreuten würden selbst ihr Mittagessen kochen, versorgen sich mit Zutaten aus dem Garten des Vereins, der von der Schlösserstiftung zur Verfügung gestellt wurde, töpfern und basteln in einer Werkstatt. Vierteljährlich wird eine Zeitung herausgegeben, die „Bogen-Zeitung“. Der Verein Bogen wurde 1993 gegründet, hat vier Mitarbeiter und 20 Betreuungsplätze.
Dritte Station am Dienstag war das Selbsthilfe-, Kontakt- und Informationszentrum Sekiz in der Hermann-Elflein- Straße 11. Der Verein bietet Raum für zahlreiche Selbsthilfegruppen für Menschen mit seelischen und psychischen Erkrankungen. Als notwendige Ergänzung der psychiatrischen Betreuung in Potsdam mahnte Sekiz-Projektchefin Angelika Tornow die Einrichtung einer Krisenwohnung an. Dazu stellte die Sozialbeigeordnete für Herbst 2012 eine Vereinbarung mit den Krankenkassen in Aussicht.
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