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Olympia in Potsdam: 29 Filmstudenten aus Peking drehen derzeit Kurzfilme über die Olympia-Berichterstattung der Medien Frische Luft und Ruhe, das gefällt den Chinesen an Deutschland
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Er heiße Rex King, sagt der junge Mann aus Peking. Was erst einmal für Verwirrung sorgt. Denn der richtige Name des chinesischen Filmstudenten ist Qin Runze. Doch für den Kontakt mit dem „Westen“ haben sich die 29 Studenten der Communication University of China (CUC) europäische Namen zugelegt. Das sei so üblich in China. Und so sind dann beispielsweise auch Helen und Vincent aus China mit angereist. Qin Runze trägt ein punkiges T-Shirt, eine flippige Brille und hat einen trendigen Kurzhaarschnitt. Wenn man nicht wüsste, dass er aus China kommt, hätte man sofort auf Japan getippt. Die junge Generation des neuen Chinas passt zumindest äußerlich nicht mehr in alte Schubladen.
Doch was machen 29 chinesische Studenten an der Potsdamer Filmhochschule ausgerechnet in der Zeit, in der in ihrem Land die Olympischen Sommerspiele stattfinden? „Die Olympischen Spiele sind sehr wichtig für uns Chinesen“, sagt Qin Runze. „In dieser Zeit wollte ich etwas Besonderes machen, daher bin ich nach Deutschland gekommen.“ Während der Summer Academy der kooperierenden Filmhochschulen HFF und CUC (3.-27. August) arbeiten 40 Studenten aus China und Deutschland zusammen, es entstehen kurze Filmbeiträge, die sich mit der Medienberichterstattung zu den Olympischen Spielen in Deutschland beschäftigen.
Hier zeigt sich, dass die Chinesen eine ganz andere Herangehensweise an das Thema gefunden haben als ihre deutschen Kommilitonen. „Sie interessieren sich mehr dafür, wie die Medienberichte beim Publikum ankommen, während wir eher die Medienmacher im Blick haben“, fasst der HFF-Gastprofessor Wolfgang Tumler zusammen.
Spricht man über Olympia in China stehen bei uns heikle Fragen wie Menschenrechte, Doping und Luftverschmutzung im Vordergrund. Doch die jungen Chinesen interessieren sich dafür nicht sonderlich. „Das ist mir zu groß“, sagt Qin Runze. Außerdem sei Politik total langweilig. Nur so viel will er sagen, dass zur Eröffnung der Olympischen Spiele der Frieden eine zentrale Rolle gespielt habe, findet er sehr gut.
Ansonsten interessieren den Studenten mehr die kulturellen Unterschiede und die verschiedenen Haltungen, das will er in den gut drei Wochen in Deutschland ergründen. Etwa die Rolle des Internets, worüber er mit seinem Team einen Film macht. Das sei in China völlig anders. Dort werde mehr online gespielt, zudem sei das Internet die wichtigste Nachrichtenquelle. Immerhin sind in China mittlerweile rund 280 Millionen Menschen online, mehr als in den USA. „Unser Leben wird immer schneller, wir haben einfach keine Zeit, für Fernsehen oder Zeitungslesen“, erklärt der junge Filmemacher.
Diese Beschleunigung des Lebens sieht auch die Studentin Chen Hua als den größten Unterschied zu Europa. „Bei uns gibt es nicht einmal einen Sonntag, um Pause zu machen“, sagt sie. Ihr gefalle die ruhigere Art in Deutschland. Franziska Koch hingegen, die an der HFF Produktion studiert, geht es genau andersherum. Ihr gefalle die schnellere Gangart, so würde etwa kein Chinese eine halbe Stunde im Restaurant auf das Essen warten. „Dann ist er schon längst weg.“
Die HFF-Studentin hat auch durch die Gruppenarbeit erfahren, dass ihre Kollegen aus China einen strengeren, viel intensiveren Studienablauf haben. „In China ist alles kontrollierter, aber dafür sind die Leute dann auch wirklich gut“, sagt sie. Ihr sei auch die Intensität aufgefallen, mit der sich die chinesischen Studenten in die Arbeit stürzen. „Nicht dass wir faul wären, aber es gibt einen grundlegenden Unterschied in der Herangehensweise.“
So wie es ja offensichtlich auch eine andere Sicht auf die Politik gibt. Die Studierenden aus China würde nicht stören, was bei uns als Problem gesehen werde, meint Franziska Koch. Zensur und Einschränkungen der Presse seien bislang nie ein Thema gewesen. Dabei haben die deutschen Studenten aber nicht das Gefühl, dass diese Themen unterdrückt würden oder die Studierenden indoktriniert seien. „Sie interessieren sich einfach nicht dafür“, lautet Tumlers Fazit.
Problematisch war der politische Aspekt für die HFF allerdings schon. Die Filmhochschule habe darauf achten müssen, in welche Situation man die jungen Menschen aus China bringen kann, wenn man sie mit der kritischen Debatte in Deutschland in Verbindung bringt. „Wichtig ist für uns, dass die Studenten nicht in Schwierigkeiten geraten“, so Tumler. Darin habe die Filmhochschule eine Fürsorgepflicht. „Wir könnten auch in drei Wochen nicht die Welt verändern“, sagt Tumler, der als Filmproduzent bei der evangelischen Eikon Film arbeitet.
Das Thema Luftverschmutzung kommt dann aber doch zur Sprache, wenn auch indirekt. Denn das erste was den Gästen aus China zu Deutschland einfällt, ist die Luft. „Frische Luft und viele Bäume, das ist einfach wunderbar hier“, schwärmt Chen Hua. Auch im Gespräch mit ihren Kommilitonen fällt immer wieder das Wort Luft. Überhaupt sei Berlin zwar eine große Stadt, doch gebe es hier enorm viel Platz. Angesichts der über 15 Millionen Menschen in Peking eine verständliche Sicht. Auch dachten die chinesischen Filmer, dass in Deutschland alles „unheimlich neu und modern“ sei. „Doch wir haben festgestellt, dass es auch hier noch viele alte Häuser gibt“, sagt Filmdozent Lui Yun Peng von der CUC.
All diese Eindrücke werden in die Kurzfilme, die derzeit entstehen, einfließen. Nicht nur Interviews mit Medienmachern und dem Publikum über das China-Bild der Deutschen sind gefragt. Auch sollen kurze, wackelige Sequenzen die mit Film-Handys eingefangen werden, mit eingeschnitten werden. Am Ende werden die besten Werke prämiert. Im vergangenen Jahr waren die Filme dann auch im ZDF zu sehen. Für alle, die so schnell leben wie die Chinesen und keine Zeit für das Fernsehen haben, werden die Beiträge sicherlich auch im Internet hochgeladen.
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