Landeshauptstadt: Immer wieder die Capri-Fischer
Gestern wäre der Komponist Gerhard Winkler 100 Jahre alt geworden – sein Sohn hütet in Potsdam das 1500 Stücke umfassende Werk des Vaters
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Es war ein denkbar schlechter Zeitpunkt, als 1943 erstmals der Schlager von den Capri-Fischern erklang. US-Soldaten waren in Italien gelandet und die Nationalsozialisten verboten, das Lied im Radio zu spielen. Doch den weltweiten Erfolg des Liedes konnten sie genauso wenig aufhalten wie den Vormarsch der Alliierten des Zweiten Weltkriegs. Die Capri-Fischer wurden ein Hit und drückten vor allem in den 50er Jahren die Italien-Sehnsucht der Deutschen aus. Der Komponist ist Gerhard Winkler, der am 12. September vor 100 Jahren in Berlin geboren wurde und 1977 im Allgäu starb.
„Ach, das wird wieder so ein Capri-Fischer-Stück“, sagt Hans Andreas Winkler dem Reporter, als immer wieder die Sprache auf das Lied kommt. Der 1952 geborene Sohn des Komponisten verwaltet in Potsdam das Archiv mit den Werken seines Vaters. Darunter sind allein 74 Fassungen der „Capri-Fischer“. Immer wieder dränge sich dieses Lied in den Vordergrund, zu Unrecht wie er findet. Rund 1500 Stücke – vom Schlager über Filmmusik bis zur Operette – umfasst das Werk.
Winkler wird 1906 im heutigen Berlin-Neukölln geboren. 1913 komponiert er sein erstes Lied: „An meinen Buchfink“. Winkler singt im Berliner Hof- und Domchor, später im Kinderchor des Berliner Opernhauses „Unter den Linden“. Nach der Schule macht er eine Lehre als Musikalienhändler und widmet sich seinem privaten Musikstudium.
Die Jahre von 1924 und 1930 sind Winklers musikalische Lehr- und Wanderjahre. Er spielt Klavier bei privaten Gesellschaften, arbeitet als Pianist und Dirigent in Kurorchestern, Tanzkapellen und Café-Häusern. Später begleitet er am Klavier Größen wie Otto Reutter oder Claire Waldorff. Erste Erfolge stellen sich ein. Mitte der 30er Jahre beginnt seine Zusammenarbeit mit dem Textdichter Ralph Maria Siegel. Der Vater des Komponisten Ralph Siegel schrieb auch den Text zu den Capri-Fischern.
Bald entdeckt Winkler die Sehnsucht der Menschen nach fernen Ländern als Schlagermotiv für sich. Ohne je eine weite Reise gemacht zu haben, entführt er seine Zuhörer in andere Länder, nach Südamerika („Schöne Argentina“), Spanien („Spanisches Blut“) oder die Südsee.
Und immer wieder auch nach Italien: „Chianti-Lied“ (Ja, ja, der Chianti-Wein) „Neapolitanisches Ständchen“, „O mia bella Napoli“, „Frühling in Sorrent“ und natürlich die „Capri-Fischer“. „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ wird zu dem Schlager der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit in West-Deutschland. Trotz der großen Papierknappheit nach Kriegsende werden von dem Lied bis 1949 mehr als eine Million Druckausgaben verkauft. 1946/1947 behauptet es Platz 1 der Bestsellerliste. Als eine der besten Aufnahmen gilt die mit Rudi Schuricke.
Weil er ähnlich wie Karl May von Gegenden und Menschen berichtete, die er nie gesehen hatte, wurde Gerhard Winkler einmal als Karl May des Schlagers bezeichnet. Erst zehn Jahre nach dem Erscheinen der Capri-Fischer besucht Winkler 1953 die Insel. In diesen Jahren ist er auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Die Platten verkaufen sich prächtig, Stars wie Ilse Werner, Rudi Schuricke und Evelyn Künnecke gehen bei Winklers ein und aus.
Winklers Lied „Mütterlein“ (1953) feiert Erfolge in Skandinavien, gelangt nach Amerika und wird unter dem Titel „Answer Me“ mit Nat King Cole zum Welterfolg. Dazu kommt das volkstümliche „O Heideröslein“, das als englische Version „Now and Forever“ ein internationaler Hit wird. Doch Anfang der 60er Jahre verdrängt der Beat zunehmend den deutschen Schlager. Familie Winkler siedelt 1969 von Berlin-Grunewald in die Schweiz über; dann nach München und kurz vor Winklers Tod ins Allgäu.
Auch fast 30 Jahre danach sind Winklers Werke noch beliebt. 125 seiner Titel wurden im vergangenen Jahr auf deutschen Bühnen live gespielt, berichtet Hans Andreas Winkler. Max Raabe etwa hat diverse Winkler-Lieder im Repertoire und erzählt gerne die Anekdote, wie Altkanzler Helmut Kohl ihn bei einem Konzert bat, doch bitte die „Capri-Fischer“ zu singen. Auch Kohls Nachfolger Gerhard Schröder wird eine gewisse Schwäche für das Lied nachgesagt.
Im Herbst reist Winklers Sohn nach Capri. 63 Jahre nach dem Erscheinen der „Capri-Fischer“ soll dort eine Gedenktafel für Gerhard Winkler enthüllt werden.
Matthias Benirschke
Weiteres im Internet:
www.capri-fischer.de
Matthias Benirschke
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