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SCHÖNBOHM meint: Immer wieder Zeugnisse

Es gibt Dinge, die sind eben so – dazu gehören Zeugnisse. Vor wenigen Tagen erst bekamen unsere Schulkinder ihre Zeugnisse – Stolz auf das Geleistete mischte sich mit Ärger über die fehlende Anerkennung.

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Es gibt Dinge, die sind eben so – dazu gehören Zeugnisse. Vor wenigen Tagen erst bekamen unsere Schulkinder ihre Zeugnisse – Stolz auf das Geleistete mischte sich mit Ärger über die fehlende Anerkennung. Schüler müssen frühzeitig lernen damit fertig zu werden und brauchen dazu die Hilfe ihrer Eltern und Geschwister. So wie sie die Unterstützung der Eltern in der Schule brauchen, so brauchen sie diese auch beim Erwachsen werden. Wie oft wird der kindlichen Neugier oder dem Tatendrang Einhalt geboten: „Das darfst Du nicht.“ Oder „Das tut man nicht“, dem jugendlichen Übermut werden ebenso Grenzen gesetzt : „Das gehört sich nicht.“

Der Ernst des Lebens beginnt aber erst, wenn der Erwachsene für seine eigenen Leistungen, seine Fehler verantwortlich ist. Dann gibt es keine Zeugnisse mehr, über die man sprechen kann, dafür wird aber über einen gesprochen – häufig ohne Kenntnisse, aber aufgrund von Vorurteilen oder Eindrücken. Es könnte sein, dass manche sich wieder an das Bibelgebot erinnern „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten.“ Das ist ein hoher moralischer Anspruch, aber gilt der nicht nur für Christen? Spätestens an dieser Fragestellung spüren wir, dass viele der christlichen Gebote unseren Alltag bestimmen und unser Zusammenleben durch das Fortgelten dieser Gebote erleichtert und menschlicher wird. Jeder hat die Auswirkungen der falschen Nachrede schon mal erlebt, sei es in großen oder kleinen Dingen – immer fühlt man sich hilflos und man begreift wie schön es war, als man Zeugnisse bekam, über die man offen sprechen konnte. Die Eltern können sich für ihre Kinder gegen vermeintlich falsche Noten wehren. Im späteren Leben gelten andere Regeln. Man kann sich gegen öffentliche oder hinter vorgehaltener Hand verbreitete Verdächtigungen kaum wehren. Die Zensoren sind dann nicht mehr die Lehrer sonder selbst ernannte „Bescheidwisser“ – sei es in den Medien, Vereinen oder auch Parteien. Zeugnisse werden uns unser Leben lang begleiten, seien es geschriebene oder gewisperte – hoffentlich kein „falsch Zeugnis“.

In der Politik hingegen gibt es regelmäßig Zeugnisse bei den Wahlen. Ob das Ergebnis gerechtfertigt ist, hat der Wähler entschieden. Aber auch der Wähler kann – wie der Lehrer – irren. Darum werden wir uns mit Zeugnissen abfinden müssen – ein Leben lang.

Unser Autor Jörg Schönbohm ist ehemaliger Innenminister des Landes Brandenburg, Senator in Berlin, General a.D. der Bundeswehr und Ehrenvorsitzender der CDU Brandenburg. Er lebt in Kleinmachnow.

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