
© ddp
Homepage: Impfstoffe gegen die Geißeln der Menschheit
Max-Planck-Direktor Peter H. Seeberger entwickelt Impfstoffe gegen Malaria, Krebs und andere Krankheiten
Stand:
„Wir haben den bisher besten Impfstoff gegen Malaria entwickelt“, sagt Peter H. Seeberger. Der Honorarprofessor der Universität Potsdam zeichnet den Prozess, der zur Entwicklung des Impfstoffes geführt hat, nach. Eher zufällig hätten die Forscher den Stoff entdeckt. Anfangs sei überhaupt nicht geplant gewesen, einen Impfstoff gegen Malaria zu entwickeln, berichtet der Chemiker. Erst aus der genaueren Analyse der Forschungsergebnisse hätte sich diese Möglichkeit ergeben. Aktuell hat Seeberger mit Kollegen der FU-Berlin auch ein wirksames Malariamittel entwickelt (s. Kasten).
Die Aussicht Malaria erfolgreich zu bekämpfen ist nicht die einzige Perspektive, die seine Forschung eröffnet. Der 45-jährige Seeberger hat bereits zahlreiche Preise gewonnen und war Associate Professor am Massachusetts Institute of Technology in USA, heute ist er geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam.
Zucker ist der Stoff, der den Chemiker zunächst interessiert hatte. Die Forschung zur Chemie des Zuckers hat in den vergangenen Jahre enorm an Bedeutung gewonnen. In den kommenden Jahren wird sie aller Voraussicht nach Ergebnisse hervorbringen, die einen der wichtigsten Wissenschaftszweige der Zukunft entstehen lassen. Denn Zucker ist ein Grundstoff des Lebens. „Eigentlich besteht organisches Leben zu 80 Prozent daraus“, stellt Seeberger fest. Glykobiotechnologie nennt sich der junge Wissenschaftszweig zwischen Chemie und Biologie.
Die Erforschung von Zuckermolekülen galt lange als ein wissenschaftlich nicht sonderlich aufregendes Territorium. Erst als Wissenschaftler erkannten, dass sich in den Molekülen der Schlüssel für die Verbindung von Zellen mit anderen Molekülen und Elementen findet, stieg das Interesse. „Wir hoffen auf diesem Weg letztlich Impfstoffe und Medizin gegen viele Infektionskrankheiten wie HIV, Tuberkulose und Malaria, aber auch gegen Krebs zu finden“, stellt Seeberger fest. Gegenwärtig stürbe in Afrika noch alle 20 Sekunden ein Kind an Malaria.
Um forschen zu können, müssen allerdings nennenswerte Mengen Zucker zur Verfügung stehen. Lange Zeit war es jedoch ausgesprochen schwierig, reinen Zucker zu erhalten. Erst die Erfindung einer Apparatur, mit der künstliche Zuckermoleküle hergestellt und verlängert werden können, ermöglichte es, den Herstellungsprozess, der früher wenigstens mehrere Wochen dauerte, auf etwa 24 Stunden einzudampfen. „Die Grundlage für unsere gesamte Impfstoffforschung war die Entwicklung unserer automatisierten Oligosaccardsynthesetechnologie. Dies war reine Grundlagenforschung, die nun zur Schaffung von mehr als zehn Impfstoffkandidaten geführt hat“, erläutert Seeberger. Die viel versprechenden Perspektiven der Zuckerforschung haben mittlerweile zur Gründung der prosperierenden Firma Glycotope GmbH in Berlin Buch geführt, mit der auch Seeberger zusammenarbeitet.
„Die Maschine, die wir entwickelt haben, war keine Ingenieursarbeit. Wir haben einfach bestehende Geräte modifiziert. Wesentlich war die Verwertung der Kenntnisse der chemischen Prozesse“, erklärt Seeberger. In Berlin Buch findet nun die weitere Auswertung der frisch erworbenen Forschungs- und Entwicklungserkenntnisse statt. Ein tauglicher Impfstoff gegen Krebs ist zwar noch nicht in Sicht, aber die Chemiker haben mittlerweile recht genaue Vorstellungen davon, wie sich die Krebszellen über Zuckermoleküle in andere Zellen vorpirschen. Deshalb hoffen sie die körpereigene Abwehr künftig durch neue Stoffe verstärkt mobilisieren zu können. Die Forschung hierfür ist allerdings kostenintensiv. „250 bis 600 Millionen Euro kostet die Entwicklung eines Impfstoffes und das dauert etwa zehn bis 15 Jahre“, so Seeberger.
Erheblich weiter fortgeschritten ist die Forschung auf dem Gebiet der Malariaprävention. Hier hat Seeberger mit seinem Team einen tauglichen Impfstoff entwickelt, der sich unmittelbar in der vorklinischen Phase befindet. Tests mit Tieren zeigten, dass der Impfstoff hundertprozentig erfolgreich den Giftstoff im Körper blockiert. Nun ist weitere anwendungsbezogene Forschung notwendig. „Die Max-Planck-Gesellschaft baut in Potsdam einen Anbau an das bestehende Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung für meine Abteilung“, sagt Seeberger. Platz- und Finanzmangel würden derzeit die schwersten Hürden für die weitere Forschung an dem Stoff darstellen. In Südostasien existierten Firmen, die vergleichbare Impfstoffe herstellen und sich stark für Seebergers Entwicklung interessieren. „Unser Anti-Toxin Impfstoff blockiert den Giftstoff im Körper und wirkt damit völlig anders als alle anderen Impfstoffansätze“, erklärt Seeberger. Er hofft, den Stoff in naher Zukunft in größeren Mengen produzieren zu können.
Seeberger würde gerne zwei oder drei Firmen aus der Universität heraus gründen und mit der Produktion bei Berlin oder Potsdam beginnen. Wo der Impfstoff letztlich hergestellt würde, sei auch ein politisches Pokerspiel. Das hätte sich schon bei seinem Aufenthalt in den USA gezeigt, wo zunächst ein von der Gates Stiftung unterstütztes Konkurrenzprodukt favorisiert worden wäre, das allerdings viel weniger wirksam gewesen sei.
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: