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Mit Rat und Tat. Der Chilene Alvaro Boragk, sein Mentor Wolfgang Kowalla und Julia Böselt von FaZIT. Potsdam braucht Menschen, die Migranten zur Seite stehen und ihnen die Eingewöhnung in der neuen Umgebung erleichtern, sagt sie.

© A. Klaer

Von Tobias Koch: „In Chile war es mir zu ruhig“

Eine Mentorenschaft, die zur Freundschaft wurde: Wolfgang Powalla half Alvaro Boragk beim Ankommen

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Immer wieder wurde Deutsch geredet doch Alvaro Boragk verstand nichts. Alvaro Boragks Großeltern sind in Deutschland geboren und tragen ihre Heimat immer noch in sich. Kein Wunder also, dass sein Interesse wuchs, die Heimat der Großeltern kennenzulernen. Seit einem guten Jahr lebt der Familienvater und Ehemann aus der chilenischen Stadt Linares nun mit seiner Frau und der zweijährigen Tochter in Potsdam.

Dabei steht ihm der Potsdamer Wolfgang Powalla zur Seite. Im Rahmen des drei Jahre andauernden Mentorenprogramms „Mit Rat und Tat“ des Fachberatungsdienstes Zuwanderung, Integration und Toleranz im Land Brandenburg (FaZIT) lernten sich der Chilene und der Deutsche Powalla kennen. Die Idee von „Mit Rat und Tat“ ist es, Migranten den Einstieg in der neuen Umgebung zu erleichtern, so Julia Böselt von FaZIT. „Es gibt viele Migranten, die schnell klarkommen und sich zurechtfinden, es gibt aber auch genügend, die Hilfe brauchen, um Barrieren des Alltags zu überwinden“, erläutert die Sozialpädagogin. Daher habe man ein Konzept entworfen, das persönlichen Kontakt zwischen Migranten und „Einheimischen“ herstellen soll. „Die Zugewanderten müssen sich anfangs oftmals ein komplett neues Netzwerk aufbauen und daher ist es vordergründig die Motivation, den Neuankömmlingen Halt und Mut zu spenden.“

Wolfgang Powalla, Leiter des Chor International, sah unter anderem die Möglichkeit, durch den direkten Kontakt mit Alvaro Boragk Neues zu erfahren. „Ich spreche Spanisch und wollte gerne die Kenntnisse vertiefen. Viel Hilfe musste ich Alvaro gar nicht leisten, da er von Anfang an sehr selbstständig agierte“, so der 64-Jährige. Daher sei es auch vielmehr eine Freund- als eine Mentorenschaft, die unter anderem die Liebe zur Musik als Grundlage hat. Boragk ist Toningenieur und spielt Schlagzeug. Powalla hingegen spielt Gitarre und Klavier.

„Über diese Gemeinsamkeit Musik wird die Freundschaft auch über das Mentorenprogramm hinaus erhalten bleiben“, sagt Powalla und fügt lachend hinzu, „wenn Alvaro mal Zeit hat“. Denn Boragk hat viel zu tun: Bald beginnt seine Ausbildung zum Webdesigner in Berlin, er spielt in einer Band und natürlich kümmert er sich um seine Familie. „Ich hatte in Chile einen guten Job an der Universität, aber mir war es dort zu ruhig. Ich wollte nach Deutschland um Neues zu erleben“, sagt der 33-Jährige. Seine Frau unterstützte ihn und sagte ihm, dass er seinen Plan in die Tat umsetzen solle.

Die ersten Monate waren allerdings nicht einfach. Die fremde Sprache musste verstanden und die Umgebung kennengelernt werden. Boragk lebte vier Monate quasi auf einer Couch, bis er seine Wohnung bezogen hatte und die Familie nachkam. Inzwischen fühle er sich sehr wohl: „Es ist fast wie zu Hause in Linares“.

„Mit Rat und Tat“ läuft noch bis Ende September, dann sei die Laufzeit des Projekts vorbei, so Böselt. Allerdings arbeite man schon an neuen Projekten, in die die Erfahrungen des Mentorenprogramms einfließen sollen. „Leider ist die Zahl der Mentorenschaften unter den Erwartungen geblieben. Insgesamt hatten wir 39 gebildete Partnerschaften in drei Jahren“, sagt Julia Böselt und verweist auf die Dringlichkeit des Themas: „Wir hatten Schwierigkeiten, Mentoren für Migranten aus dem russischen Raum zu finden. Es muss eine Querschnittsaufgabe der Politik sein, sich umfassend der Integration zu widmen.“

Tobias Koch

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