
© J. Bergmann
Die Trauer wegzappeln: In der Scholle 51 erinnerte man tanzend an Manfred Krug
Eine kleine Discokugel verbreitet buntes Licht im Raum. Die roten, grünen und blauen Lichtfetzen, die aus dem runden Ding hinaus in den ansonsten dunklen Saal entfleuchen, sind im Moment noch das Einzige, das sich über den Fußboden bewegt.
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Eine kleine Discokugel verbreitet buntes Licht im Raum. Die roten, grünen und blauen Lichtfetzen, die aus dem runden Ding hinaus in den ansonsten dunklen Saal entfleuchen, sind im Moment noch das Einzige, das sich über den Fußboden bewegt. Aus den Lautsprechern schallt Musik, die vielleicht so manchen hier wehmütig macht. Doch eigentlich könnte sie auch das Gegenteil bewirken. Denn da singt ein vitaler Mann. Seine rauchig-weiche Stimme versprüht Sinnlichkeit. Hin und wieder wechselt er das Timbre. Dann kommen die Töne kraftvoll daher.
Nein, irgendwie ist es doch Wehmut, die einen beschleicht an diesem Nachmittag im Atelierhaus Scholle 51. Denn die Stimme, die hier aus den Boxen schallt, gehörte einem Mann, der erst vor wenigen Wochen von dieser Erde ging. Einer, den man wegen seiner zärtlich-witzigen, oft aber auch rauen Art so schätzte – und wegen seiner Stimme. Manfred Krug, der Schauspieler und Sänger, an diesem Samstagnachmittag im Atelierhaus Scholle 51 wird seine Musik wieder lebendig. Hier werden heute nur seine Lieder gespielt.
„Wir bringen die Trauer zum Klingen und lassen unsere Beine zappeln“, hieß es in der Einladung vom Stadtteilnetzwerk Potsdam-West zu „Manne Krugs Tanzcafé“. Aber noch zappelt an diesem Nachmittag kein Bein auf der Tanzfläche. Nur die von der Discokugel produzierten Farbfetzen flitzen unablässig über den Boden. Ein paar Kinder vertreiben sich im Disco-Dunkel die Zeit. „Die Musik ist schrecklich“, hat einer der Knirpse vor wenigen Minuten gerade kundgetan. Und schob sogleich nach: „Man kann dazu überhaupt nicht tanzen.“
An der Kaffeetafel nebenan sitzt eine Handvoll Erwachsener vor selbst mitgebrachtem Kuchen: Zimt, Apfel, Zupf – so könnte man einige der selbst gebackenen Köstlichkeiten kurz bezeichnen. Ja, auch Süßes kann schließlich die Trauer vertreiben – wenigstens für einen Moment. Sogar eine halbleere Flasche Mandellikör steht auf dem Tisch. Und natürlich Kaffee. „Danke für den Abend“, schallt es jetzt aus den Lautsprechern. Eine rothaarige Frau ist gerade gekommen. Sie steht vor der Kuchentafel und wippt zur Musik, die Kaffeetasse vor sich haltend. „Danke für den Abend“, singt sie sofort leise mit. „Und danke für die süße Nacht.“ Der Song läuft weiter und die Frau stimmt wieder ein: „Ich hab dich nach Haus und du hast mir das Glück gebracht.“
Langsam kommen jetzt immer mehr Manne-Krug-Fans hinzu. Sie sind schätzungsweise im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Und dann saust noch etwa ein halbes Dutzend Kinder herum. Am Ende werden es so um die 20 Menschen sein, die sich an diesem Nachmittag unter den Klängen des singenden „Tatort“-Kommissars, Truckers und gewitzten Kreuzberger Lieblings versammeln.
„Meine Eltern hatten auch schon Krug-Platten. Die hab ich halt als Kind gehört. Und dann ging das immer weiter“, sagt Romy Brock, die rothaarige Frau, die so textsicher mitsingt. An der Kaffeetafel tauscht man sich jetzt über Krug und seine Songs aus. Und dann dauert es plötzlich gar nicht mehr lange, bis dem Jungen von vorhin bewiesen wird, wie falsch er lag: Die Musik ist doch tanzbar. Sehr gut sogar. Jetzt zappeln die Beine übers Tanzparkett. Wer will und kann, singt mit. „Es gab schon Wehmut“, wird Annette Paul vom Stadtteilnetzwerk später über diesen Tanznachmittag sagen. Holger Catenhusen
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