Landeshauptstadt: In der Schwitzhütte
Neues Projekt soll Jugendliche erwachsen machen
Stand:
Obwohl Rico noch in die 13. Klasse des Einstein-Gymnasiums geht, ist der 19- Jährige bereits von zu Hause ausgezogen: „Es ging einfach gar nicht mehr.“ Pläne für die Zukunft hat er schon, eine Bäckerei-Ausbildung wird im Sommer beginnen. Dennoch ist Rico sich nicht immer sicher: „Ich weiß zwar, was ich im Leben will, pendele aber trotzdem manchmal zwischen Genie und Wahnsinn.“
Er soll an diesem Abend auch solche privaten Gefühle erzählen, damit Eike Schwarz und Kathrin Raunitschka ihn kennenlernen können. Im Sommer werden Rico und bis zu neun andere Jugendliche von den beiden Pädagogen zu einem besonderen Projekt mitgenommen: Unter dem Namen „Bis zum Horizont und ein Stück weiter“ planen sie zum zweiten Mal eine achttägige Reise auf einen Bauernhof mitten in der Uckermark, in der Jugendliche ab 17 Jahren bewusst den Übergang zum Leben als junge Erwachsene empfinden sollen – eine Art verspätete Jugendweihe, die einen tieferen Sinn sucht. Veranstalter sind die Wildnisschule Potsdam e.V. und der Manne e.V., Infos gibt es unter Tel.: (0331) 23 73 160.
Den Ansatz beider Vereine für das Projekt erklärt Eike Schwarz mit der philosophischen Vorstellung, das Leben verlaufe in Zyklen. Beim Übergang zum nächsten Abschnitt sei es gut, wenn dies unter professioneller Begleitung passiere – statt einfach klassischen Selbstinitiationsriten wie dem ersten Suff unter jungen Männern zu vertrauen. Dazu käme die Vorstellung, dass der Weg in die Zukunft möglichst mit einer verarbeiteten Vergangenheit einhergehen müsse. So sei es in Deutschland fast Sitte, gegen die Eltern groß zu werden – dies sei zwar verständlich, so Schwarz, doch sei es gleichzeitig noch wichtiger, der vorigen Generation auch dankbar zu sein: „Es ist wichtig, den nächsten Zyklus in Frieden zu beginnen.“
Solchen Gedanken ist das Programm bei der Gruppenreise angepasst. An alten Kulturen und Naturvölkern haben sich die Entwickler der Reise orientiert: Höhepunkt ist dabei eine „Visionssuche“, über Tage fastend, in einer Art Schwitzhütte nach Indianerart. Ziel sei ein Stadium totaler Langeweile – um in die „Tiefe der Seele“ schauen zu können und die guten wie schlechten Seiten darin zu sehen, beschreibt Eike Schwarz: „Im wirklichen Leben finden sich immer Verdrängungsstrategien gegen Langeweile.“ Ist die Visionssuche beendet, kommen die Eltern – um ihren Söhne und Töchter offiziell eigene Wege gehen zu lassen. Rico ist schon jetzt überzeugt: „Das tut mir sicher gut.“ HK
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: