
© Manfred Thomas
Homepage: „In die Figuren hineinkriechen“
HFF-Dozent und Krimi-Regisseur Bodo Fürneisen über die Lust am „Tatort“, Ermittlerinnen und Komik
Stand:
Herr Fürneisen, Sie galten lange als der „Krimi-Regisseur“. Gerade kommen Sie von einem Dreh für einen Märchenfilm. Haben Sie jetzt genug von Krimis?
Mein letzter „Tatort“ liegt zwei Jahre zurück. Das war „Schweinegeld“ mit Dominic Raacke und Boris Aljinovic. Langsam bin ich wieder bereit für einen Krimi. Ich hätte zum Beispiel Lust, noch einmal einen Film mit Wolfgang Stumph als Kommissar Stubbe zu drehen. Er will nur noch drei oder vier machen und dann mit der Reihe aufhören.
Sie haben Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf studiert und seit 1980 für viele Krimis Regie geführt und auch Drehbücher geschrieben. Was hat Sie für den Krimi eingenommen?
Für mich ist es dieses in-die-Figuren-hineinkriechen und so die Seele und Psyche von Menschen begreifen zu können. Das ist das eigentliche Abenteuer beim Krimi, wenn eine Figur plötzlich Haken schlägt, die zunächst gar nicht nachvollziehbar scheinen. Man versucht gemeinsam mit dem Zuschauer zum Beispiel eine Täter-Figur zu ergründen und zu begreifen.
Der Krimi ist bei den Fernsehzuschauern sehr populär. Was macht ihn so besonders?
Der deutsche Fernsehkrimi ist so interessant, weil er häufig sowohl Gesellschafts- als auch Sozialporträt ist. Ein Grund dafür ist gewiss, dass man aktuelle gesellschaftliche Themen schneller im Krimi unterbekommt, weil sie in das Genre „verpackt“ werden. Das darf man nicht unterschätzen. Schwierige Themen, zum Beispiel das Thema Afghanistan-Heimkehrer, hat man zuerst im deutschen Fernsehkrimi gesehen. Und wer hat das Thema Schwule im deutschen Fußball zuerst aufgefangen? Ein „Tatort“.
Kopieren sich Serien wie „Tatort“, „Wolffs Revier“, „Polizeiruf“ nicht gegenseitig?
Als Regisseur fand ich im Fernsehen der DDR immer die Reihe „Der Staatsanwalt hat das Wort“ am interessantesten, weil da der Täter im Mittelpunkt stand und die Frage, was dazu geführt hat, dass ein Mensch straffällig wird. Das Verbrechen fand erst am Ende des Films statt. Beim „Polizeiruf“ und beim „Tatort“ ist es in der Regel umgekehrt. Das Verbrechen steht am Anfang und dann kommen die Kommissare und klären den Fall. Diese „Who done it“–Geschichten laufen zu 90 Prozent im Deutschen Fernsehen.
Also fehlt Abwechslung?
Es haben sich über die Jahre in der deutschen Fernsehlandschaft sehr unterschiedliche Formate gebildet. Das Spektrum reicht von Action betonten Serien wie „Cobra 11“ bis zu stark psychologisch betonten Geschichten. Dazu gehört für mich unter anderem die ZDF-Reihe „Kommissarin Lucas“ mit Ulrike Kriener.
Sie haben angefangen, für „Der Staatsanwalt hat das Wort“ zu drehen. Erst nach der Wende kamen Sie zum „Polizeiruf“.
Das war dann der erste sogenannte Wende-Polizeiruf: „Tanners neuer Job“. Eine deutsch-deutsche Vereinigungsgeschichte mit Eberhard Feik als Horst Schimanskis Mitarbeiter Christian Tanner auf der Westseite und Peter Borgelt als der berühmteste Kommissar Hauptmann Fuchs auf der Ostseite.
Er handelt davon, wie das Ostkommissariat von Westkommissaren übernommen wird und ist inzwischen ein Zeitdokument.
Der Film endet sehr besinnlich. Hauptmann Fuchs geht durch mehrere Büros in die Totale und man weiß, dass er sich als Figur verabschiedet. Das war dann auch der letzte Polizeiruf, den Peter Borgelt gedreht hat.
Später haben Sie für Katrin Sass die erste Polizeiruf-Kommissarin mitentworfen, dann die Kommissarin Johanna Herz mit Imogen Kogge. Ermitteln Fernseh-Kommissarinnen anders als Kommissare?
Man sieht relativ selten, dass Kommissarinnen wilde Verfolgungsjagden machen, Ulrike Folkerts in ihrer Rolle als Hauptkommissarin Lena Odenthal ist da eher eine Ausnahme. In dem ersten Polizeiruf, den ich mit Imogen Kogge gedreht habe, „Braut in Schwarz“, gibt es eine Einstellung, in der sie eine Waffe in der Hand hatte. Das wirkte recht albern. Ich glaube, sie holte die Waffe damals sogar aus der Handtasche. Imogen Kogge ist ein typisches Beispiel für Ermittlerinnen, die ohne Waffe aber mit viel Gespür für Menschen durch einen Fall gehen. Sie wurde ja nun nach zehn Polizeiruf-Folgen abgelöst von Maria Simon.
Der „Tatort“ feierte dieses Jahr 40-jähriges Jubiläum. Werden Krimifiguren heute anders besetzt als vor 40 Jahren?
Es ist auffallend, dass Kommissare heute mit bekannten, sehr arrivierten Schauspielern besetzt werden. Das war früher nicht so. Eine Ulrike Folkerts, unterstelle ich mal, war zu Beginn ihrer Laufbahn noch keinem breiten Publikum bekannt. Gegenwärtig geben Matthias Brandt, Ulrich Tukur, Nina Kunzendorf und Joachim Król ihren Einstand – die erste Garnitur der deutschen Schauspielerelite. Auch mit den beiden Figuren von Axel Prahl und Jan Josef Liefers ist etwas Besonderes entstanden. Die beiden definieren sich sehr stark über Skurrilität und Komik.
Das Gespräch führte Undine Zimmer
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