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Steffi Pyanoe.

© A. Klaer

Kolumne PYAnissimo: Einfach mal klingeln: In dringenden Fällen ...

Gehen Sie zum Krippenspiel oder woanders hin, wo Sie Weihnachten finden. Und klingeln Sie mal wieder beim Nachbarn, mit oder ohne Plätzchen und Termin, einfach so. Warum unsere Autorin Steffi Pyanoe das empfiehlt, lesen Sie in ihrer Kolumne.

Stand:

Weil ich das ganz Jahr über so viel gemeckert habe, werde ich jetzt zum Schluss sentimental. Ich meckere nur ein klitzekleines bisschen. Also: Wir dachten uns in der Redaktion, dass in den Tagen vor Heiligabend ein Foto vom Krippenspiel gut ankommt in den PNN. Falls Sie nicht wissen, was das ist: Das hat nichts mit einer Kita zu tun, sondern mit der Futterkrippe, in der das Jesuskindlein gelegen haben soll mangels Kinderbettchen. Deshalb werden kleine Theaterstücke rund um die Weihnachtsgeschichte traditionell Krippenspiel genannt. Sie werden in der Kirche in der Nachmittagsandacht am 24.12. aufgeführt und ab dann ist offiziell Weihnachten, zumindest für die kleinen Kinder. Wer größer ist, geht nachts völlig aufgedreht zur Christmesse und verpennt dann alles eingeklemmt zwischen den Schultern seiner Eltern.

Das Mädchen mit den längsten Haaren war Maria

Das Krippenspiel aber ist der Moment, bei dem man glänzen kann, sofern man als Schauspieler eine Hauptrolle bekommt. Das Mädchen mit den längsten Haaren ist immer Maria. War ich nie, nicht mal meine Babypuppe schaffte es auf die Bühne, Maria brachte natürlich ihre eigene mit. Die meisten Jungs waren Hirten oder drei Könige, und damals durfte man sich das Gesicht noch schwarz anmalen, hat keinen gestört. Dann gab es noch einen Engel, und weil der nicht viel zu tun hatte und nur rumstand und segnen musste, war die Position des Engels immer die am meisten von Ohnmachtsanfällen bedrohte. Ich kenne einige, die in der Hitze der Scheinwerfer – ja, es gab sehr professionelle, vom Ehrgeiz technikbewanderter Eltern geprägte Aufführungen – spontan von der Bühne abgingen und es vor dem Umfallen oder Kotzen grad noch so an die frische Luft schafften.

Im Publikum saßen die stolzen Eltern, die Väter grübelten, wo verdammt der Weihnachtsmannsack vom letzten Jahr abgeblieben sein könnte und die Mütter grübelten, ob die Gans auch reichen wird. Außerdem saßen im Publikum sämtliche alten Leutchen der Gemeinde und verteilten anschließend Süßigkeiten aus den Tiefen ihrer Handtaschen an die lieben Kinderlein. Dazu kamen die vielen Abtrünnigen, Gäste aus den evangelischen Gemeinden oder gar Ungläubige, denen das bunte, herzige Treiben der Katholiken besser gefiel als der trockene Zweckprotestantismus.

An einer Tür einfach mal so klingeln?

Und weil das alles so schön ist, wollen wir die Termine der diversen Potsdamer Krippenspiel-Aufführungen bei uns im Blatt ankündigen. Mit dem Bild einer Kostümprobe. Ich dachte dieses Mal sehr rechtzeitig daran und rief schon vor zwei Wochen im Pfarramt an. Aber denkste, von den zehn angegebenen Nummern funktionierte keine einzige. Zwei Tage lang probierte ich es immer wieder. Nur der AB sprang an: In dringenden Fällen bitte direkt den Pfarrer anrufen. Aber auch der war nicht da. Ich dachte mir, die haben es wohl nicht nötig, Nottaufe oder Krankensalbung – egal. Seelsorge, Herzausschütten – egal. Was sonst wäre dringend? Ich natürlich! Irgendwann rief mich der Vikar zurück. Er konnte mir auch nicht helfen, alle seien krank, es tat ihm sehr leid. Ich fühlte mich dennoch völlig zu Recht aufgebracht und der arme Vikar bekam jetzt alles ab. Laut Homepage ist Sprechzeit und das Sekretariat ist nicht besetzt! Nach einigen Sekunden Pause sagte er: „Sind Sie noch da? Ich komme runter, ich mache Ihnen gleich auf.“ Da war ich platt. Er dachte, ich stehe vor der Tür. Ich hingegen hatte die Variante direkter menschlicher Kontakt völlig ausgeblendet. An einer Tür einfach so mal klingeln, wann hatte ich das zuletzt gemacht? Immer verabredet man sich. Kein Risiko, kein Warten, keine Spannung. Und das Pfarramt, in dem der Mann jetzt gerade saß, lag nur 250 Meter Luftlinie von der Redaktion entfernt. Mir wurde unheimlich. Ich hielt mich am Schreibtisch fest und legte auf.

Ich schrieb dann eine Mail an die Krippenspielbeauftragte, bekam Antwort und alles wurde noch gut, wie Sie sehen werden. Also: Gehen Sie zum Krippenspiel oder woanders hin, wo Sie Weihnachten finden. Und klingeln Sie mal wieder beim Nachbarn, mit oder ohne Plätzchen und Termin, einfach so. Funktioniert sehr gut.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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