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Landeshauptstadt: In Gefechtsalarm

Heute vor 45 Jahren unterschrieb Walter Ulbricht den Befehl zum Mauerbau – morgen wird erinnert

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Am 13. August 1961 wurde der Ring um West-Berlin, das sind 45 Kilometer innerstädtische Sektorengrenze und zirka 116 Kilometer Umlandsgrenze, durch die Mauer und Stacheldraht geschlossen. Zuvor flohen allein in den Jahren 1949 bis zum Mauerbau 2,68 Millionen Menschen aus der DDR. Wegen der Nähe zu West-Berlin war der Anteil der Flüchtlinge aus dem Bezirk Potsdam immer extrem hoch. Zwischen Januar und August 1961 flüchteten 20 979 Menschen aus dem Bezirk Potsdam (insgesamt waren es 166 865) nach West-Berlin. Am 13. Mai 1961 räumte der damalige Leiter des Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Potsdam, Oberstleutnant Mittig, in geheimer Verschlusssache 123/61 die Ohnmacht der Sicherheitsorgane bei der Verhinderung der Fluchtbewegungen ein.

Am heutigen Tag von 45 Jahren unterzeichnete Walter Ulbricht die Einsatzbefehle. In allen Kasernen und Dienststellen der Nationalen Volksarmee wurde um Mitternacht der Gefechtsalarm ausgelöst. Die Soldaten mussten in voller Ausrüstung zum Appell antreten – sie wurden über die bevorstehende Grenzschließung informiert. Am 13. August wurden alle Übergänge nach West-Berlin geschlossen und der Verkehr auf den S-Bahnlinien von Berlin ins Umland und nach Potsdam eingestellt. Um jeglichen Widerstand von vornherein zu brechen, wurden durch die Sicherheitsorgane, laut Berichterstattung der einzelnen Kreisdienststellen des MfS, in der Zeit vom 13. August bis 16. September zirka 360 Personen wegen ihrer negativen Äußerungen zum Mauerbau im Bezirk Potsdam verhaftet und zum Teil im Schnellverfahren abgeurteilt. Trotzdem wurden die DDR-Machthaber in den ersten Monaten nach der Grenzschließung von der unerwartet hohen Anzahl der Grenzdurchbrüche überrascht, darunter so spektakuläre Fluchtversuche wie der am 5. Dezember 1961 erfolgte Durchbruch des Personenzuges PS 2192. Dieser Zug hatte erfolgreich die Grenzsperren bei Albrechtshof durchbrochen und unbeschadet West-Berliner Gebiet erreicht. Im Bezirk Potsdam wurden allein im August und September 133 Grenzdurchbrüche, an denen 220 Personen beteiligt waren, registriert. Davon wurden 43 Fluchtversuche verhindert und 74 Personen festgenommen. Die Mauer fiel erst 28 Jahre später, am 9. November 1989.

An den Mauerbau vor 45 Jahren wird an diesem Wochenende allerorts mit Andachten und Kranzniederlegungen erinnert. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollen an der Mauer-Gedenkstätte Bernauer Straße Kränze für die Opfer der deutschen Teilung niederlegen, teilte das Dokumentationszentrum Berliner Mauer mit. Zuvor wird mit einer Andacht in der Kapelle der Versöhnung im früheren Todesstreifen an menschliches Leid und Widerstand erinnert.

Auf der Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam, einem Symbol der Teilung, wollen Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Berlins CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger am 13. August (13.30 Uhr) mahnen, die Opfer nicht zu vergessen.

Bilder von der Bernauer Straße in Berlin gingen nach der Grenzziehung um die Welt, als Menschen aus ihren Wohnzimmern im Osten auf den im Westen gelegenen Straßenteil sprangen. Bereits heute ist ein Gedenkkonzert am früheren Berliner Grenzkontrollpunkt Checkpoint Charlie an der Friedrichstraße geplant. Das Deutsche Kammerorchester spielt laut Mauermuseum am Checkpoint die im August 1961 entstandene Komposition „Epilogue“ des Norwegers Edvard Hagerup Bull, der damals das Werk als Reaktion auf den Mauerbau schrieb.

In Sachsen-Anhalt wird in der Gedenkstätte Deutsche Teilung auf dem Gelände des früheren Grenzübergangs Marienborn-Helmstedt von diesem Sonntag an eine neue Sonderausstellung gezeigt. Die Schau „Gegenansichten“ dokumentiert die Entwicklung der Opposition in den früheren Ostblockstaaten. Streit gab es im Vorfeld um den geplanten Auftritt von Innenminister Holger Hövelmann (SPD). Zwei Verbände von Opfern der SED-Herrschaft hatten die Planungen kritisiert, weil Hövelmann vor der Wende eine Laufbahn als Politoffizier angestrebt habe. pst

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