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Grimme-Preisträger Andreas Kleinert ist neuer Professor für Spielfilm an der Filmhochschule HFF
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Er habe, sagt Andreas Kleinert, ein intensives Leben geführt. In Filmpreisen ausgedrückt heißt das für den erst 44-Jährigen Regisseur eine Nominierung für den Studenten-Oscar, gleich vier Adolf-Grimme-Preise und einen gewonnen Emmy. Der neue Professor für Spielfilm-Regie tritt nun die Nachfolge von Rosa von Praunheim an der Potsdamer Filmhochschule HFF an. Auch durch die Namen der Filmstars, mit denen er schon zusammen gearbeitet hat, lässt sich diese Intensität ausdrücken: Hilmar Thate („Wege in die Nacht“, 1999), Götz George („Mein Vater“, 2002), Henry Hübchen, Imogen Kogge und viele andere.
Die Lebensintensität merkt man Kleinert auch sonst an. Ein neues Café hat in der Nähe seines Schneideraums aufgemacht. Das will er gleich ausprobieren. Die neue, kalorienfreie Cola, muss er auch sofort testen. „Ich bin der beste Partner im Urlaub“, sagt Kleinert, dann habe er immer beste Laune. Er ist ein Optimist im Kleinen. Doch seinen Filmen wird ein dunkler Grundton bescheinigt. Wie in der Verfilmung der Klemperer-Tagebücher zum Beispiel. „Da war ich für die Teile verantwortlich, die in den Kriegsjahren spielen, die düsteren mit viel Blau und Schwarz.“ Seine Filme seien immer morbide und zeigen die Schattenseite der Charaktere. „Ich bin kein Gutmenschenregisseur“, sagt er dazu. Aber seine Filme würden zunehmend komischer.
Wenn jemand wie Kleinert, der allzu oft „den Fallschirm aufmacht und einfach herunterspringt“ nun zum ordentlichen Professor berufen und auf fünf Jahre verbeamtet wird, dann kann man nach den Gründen fragen. Er sei in der DDR groß geworden, da sei man dazu erzogen worden, etwas für andere zu tun. „Ich mache es, damit es den Studenten besser geht.“ Das klingt, als ob er eine ungeschriebene Schuld zu begleichen hätte. Ein bisschen sei es tatsächlich so, dass er sich durch die Lehrtätigkeit „von der Hölle entferne um näher an den Himmel zu kommen.“
Ähnliche Angebote von den Hochschulen in München und Köln hatte er schon abgelehnt. Für Potsdam kamen die Bitten von allen Seiten. Schließlich hatte er hier bis 1989 studiert. Er stand beim so genannten „Vorsingen“ vor Lehrpersonal und Studenten. „Was tust du Dir da an?“, fragte er sich zunächst. Doch dann habe er eine Stunde geredet. Er muss wohl witzig gewesen sein, die Studenten hätten sich totgelacht.
Wie lehrt man eigentlich Regieführen? „Keiner weiß, was das ist: eine Regieausbildung, sogar an der Hochschule nicht“, hat Kleinert beobachtet. Er selbst hält nichts vom „ergebnisorientierten“ Vorgehen, „so nach der Art, der Film muss in Cannes laufen“. Kleinert will das Handwerk lehren, damit der Kopf frei wird für das Künstlerische. Montage, Bildgestaltung, Auflösung einer Konstellation. „Sechs Leute sitzen am Tisch“, erklärt er, „wie muss die Kamera stehen, welchen Schnitt muss ich machen, damit die Szene aufgelöst wird?“ Wie ein Fußballtrainer gehe er vor: Standards einüben, bis sie sitzen. In einem ersten Workshop hat er dies mit seinen Studenten und professionellen Schauspielern bereits geprobt. Als er seinen ersten Regieschülern begegnete, dachte er, „Mensch, das könnten deine Kinder sein!“ und fühlte sich gleich „steinalt“. Er, der sagt, er fühle sich immer noch wie ein Student.
„Die Studenten müssen lernen, wer sie sind“, sagt Kleinert. Sie sollen bei ihm einen Stilwillen entwickeln. Als Regisseur gehöre ein Knacks dazu. „Wenn du nicht in Kontrasten lebst, dann wird das nichts.“ Wer seine Seele dabei nicht preisgäbe, wäre falsch. Für Andreas Kleinert war es immer ein Lebenstraum gewesen, Regisseur zu werden. Der schönste Beruf der Welt, in dem man auch Egoist sein muss. „Ein Stück Hölle, aber eine schöne Hölle, faszinierender als der Himmel.“ „Man fühlt sich wie Gott“, beschreibt er das schöne Gefühl, wenn morgens zwei verschlafene Schauspieler im Set stehen, die sich vielleicht hassen, und er sie in einer Liebesszene inszeniert. Den Druck, die Angst, die Panik, die schnellen Entscheidungen beim Drehen, das ist für Andreas Kleinert lebensnotwendig. Deshalb darf er neben seinem Lehrauftrag weiterhin zwei Filme im Jahr drehen. „Sonst würde ich eingehen wie eine Primel.“
Seine Ziele an der HFF: „Ich will, dass der Charakter der HFF als Kunstschule erhalten bleibt, dafür kämpfe ich“. Die Tradition dürfe nicht aufhören, „bloß, weil das Fernsehen nach Leuten schreit“. Für seinen Regieunterricht setzt er sich für die Arbeit mit mehr professionellen Schauspielern ein. Kleinert ist Idealist. „Ich möchte meine Biographie sauber halten, so dass ich mich für meine Filme vor meinen Kindern nicht schämen muss.“ Seine Weltanschauung, seine politische Einstellung und seine Ästhetik sollten stets erkennbar bleiben. Ruhm und Reichtum interessieren ihn, der vor einigen Jahren ein Angebot aus Hollywood ausschlug, beim Filmen nicht. „Ich will kein abgefuckter Geldverdiener werden“.
Matthias Hasenpflug
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