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Potsdam: „Industriekathedrale unter der Erde“

EWP will Wasserspeicher auf dem Pfingstberg öffentlich nutzen – Studenten entwickeln Konzepte

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Potsdam - In die Tiefe gelangt man nicht über eine Treppe, sondern nur über ein Baugerüst mit Leitern: Ein Saal von mehr als 900 Quadratmetern Grundfläche verbirgt sich unter dem grasbewachsenen Hügel gleich neben dem Ausflugsrestaurant „Am Pfingstberg“ oberhalb der Großen Weinmeisterstraße. Der Potsdamer Architektur-Professor Ludger Brands spricht von einer „Industriekathedrale unter der Erde“.

Gemauert in rostrotem Backstein wird der gewaltige unterirdische Raum von sieben schottenartigen Wänden mit bogenförmigen Durchbrüchen durchzogen, Fenster gibt es nicht, orientieren kann man sich nur mit künstlichem Licht. Schlammreste auf dem Boden weisen auf die frühere Nutzung hin: Das 1876 eingeweihte Gebäude, von dem Spaziergänger von außen nur einen zinnenbewehrten Turm sehen können, diente noch bis in die 1990er Jahre hinein als Trinkwasserspeicher für die Landeshauptstadt. Der Saal fasste damals vier Millionen Liter Trinkwasser – genug, um rund 28 600 Badewannen zu füllen.

Seit 2011 steht der ehemalige Trinkwasserspeicher unter Denkmalschutz. In Zukunft soll er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dafür hat der Eigentümer, der städtische Energieversorger Energie und Wasser Potsdam (EWP), einen Wettbewerb für Studenten ausgeschrieben (PNN berichteten) – 5000 Euro zahlt das Unternehmen für das Siegerkonzept. EWP- und Stadtwerke-Geschäftsführer Wilfried Böhme appellierte zum Auftakt am gestrigen Dienstag an die Kreativität der angehenden Architekten und Bauingenieure von der Fachhochschule Potsdam (FHP) und der Beuth Hochschule für Technik in Berlin: „Hier gibt es noch völliges Querdenken.“ Der Vorschlag zur Nutzung müsse aber auch „bezahlbar bleiben“, betonte Böhme. Eine bestimmte maximale Investitionssumme stehe aber noch nicht fest, sagte der EWP-Chef auf Nachfrage. „Wir wollen das Gebäude sinnvoll nutzen und ein Zeichen setzen für Potsdam – in welcher Form auch immer“, sagte Böhme.

Circa drei Monate Zeit haben die Wettbewerbsteilnehmer – von beiden Hochschulen je etwa 30 Studierende –, um ihre Ideen zu entwickeln. Am Dienstag verschafften sie sich vor Ort einen Überblick über das Ensemble zwischen Villa Henckel und Belvedere. Mit weißen Schutzanzügen und Gummistiefeln – zum Schutz vor schmutzigem Tropfwasser – ging es auch in die Tiefe in den Saal, der auch mit seiner Akustik beeindruckte. Ideen zur Nutzung hatten viele Studierende, verraten wollte allerdings noch niemand etwas. Die Ergebnisse sollen Ende Februar 2013 öffentlich bei der EWP vorgestellt werden. Koordiniert wird der Wettbewerb von Architektur-Professor Georg Kohlmaier von der Beuth-Hochschule, der auch den Firmensitz der EWP in der Steinstraße entwarf.

Bei der Ideenfindung gilt es für die Studenten, verschiedene Rahmenbedingungen einzuhalten, wie FH-Professor Ludger Brands erläuterte: So sind bei Potsdams ältestem Wasserspeicher wegen des Denkmalschutzes nur begrenzte Eingriffe in die Bausubstanz möglich. Ein weiterer Aspekt: Der öffentliche Zugang zum Ort und Fluchtwege. Derzeit gibt es kaum Parkplätze am Pfingstberg.

Der Wasserspeicher gilt als herausragendes Zeugnis für die Schaffung einer zentralen städtischen Wasserversorgung. Mit dem gleichzeitig in Betrieb genommenen ersten Potsdamer Wasserwerk in der Bertinistraße endete am 1. Juli 1876 die Ära der öffentlichen Pumpbrunnen, wie EWP-Chef Böhme berichtete. Hatten sich zuvor höchstens gut betuchte Potsdamer das Wasser per Hundegespann zu fünf Groschen für 25 Eimer „frei Haus“ kommen lassen, gab es nun an 1152 Anschlussstellen im Stadtgebiet „Wasser aus der Wand“.

Wasserspeicher sind nötig, um die Trinkwasserversorgung in den Stoßzeiten aufrechterhalten zu können. Befüllt werden sie in den Nachtstunden. Der Speicher auf dem Pfingstberg wurde vom Netz genommen, weil er mit seinen 70 Metern über dem Meeresspiegel vergleichsweise niedrig liegt. Derzeit gibt es am Potsdamer Trinkwasserversorgungsnetz drei Wasserspeicher: Auf dem Brauhausberg, auf dem Ravensberg und auf dem Kirchberg in Neu Fahrland. Gemeinsam fassen sie etwa 40 000 Kubikmeter.

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