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Tag der Architektur: Industrielle Moderne in Gillys Garten

Beate Kalus verwirklicht in Kleinmachnow einen Traum – und schreibt sich so in die Baugeschichte des Schlosses Güterfelde ein.

Stahnsdorf - Beate Kaulus fing sofort an Skizzen zu machen. Als die Berliner Architektin und Projektleiterin das alte Heizhaus im Schlossgarten vom Stahnsdorfer Ortsteil Güterfelde im August 2015 sah, war es, wie sie sagt, Liebe auf den ersten Blick. Wo andere einen 50er-Jahre-DDR-Funktionsbau mit grau-braunem Waschputz und Wellasbest auf dem Dach sahen, entdeckte sie ein Heim. Ein modernes, lichtdurchflutetes Atelier und Wohnhaus. Zwei Jahre später ist das Gebäude nicht wiederzuerkennen – und irgendwie doch dasselbe geblieben.

Zum einen ist da der alte Klinkerschornstein, der das Haus um das doppelte seiner Höhe überragt. Ihn hat Kaulus nicht abreißen lassen, sondern in ihre Pläne eingefügt. Er ist jetzt funktionslos, sieht man einmal davon ab, dass er wichtig für den industriellen Charakter des Ensembles ist und einen Kontrast zum langgezogenen, jetzt ganz weiß verputzten Haus bietet. Vom Gästezimmer im oberen Geschoss aus blickt man auf den warmen, gelben Klinker.

"Das wäre doch etwas für Sie"

Es war ein Bekannter, der Kaulus auf das Objekt aufmerksam gemacht hatte: der Projektentwickler der Schlossanlage Güterfelde, in der inzwischen Eigentumswohnungen untergebracht sind. „Frau Kalus, das wäre doch etwas für Sie“, habe er gesagt, so die Architektin. Und das war es. Für Kaulus, der ihr Beruf Leidenschaft ist, eine Herausforderung und ein Traum, ein solches Projekt selber umsetzen zu können.

Das Haus war in den 1950er Jahren gebaut worden, als Heizhaus für das Schloss Güterfelde, in dem damals ein Altersheim untergebracht war. Das Gelände war Anfang des 19. Jahrhunderts nach Plänen des Brandenburger Architekten David Gilly errichtet worden. Als Teil des Ensembles von Schloss, Lehmhaus und Park gelten auch für das Heizhaus Denkmalschutzregeln. „Das Haus durfte nicht in Konkurrenz zum Schloss stehen“, erklärt Kaulus. So standen ihr bei der Wahl der Farbe und der Ziegel Denkmalschützer zur Seite. Der Bau ist in seiner Grundform erhalten geblieben. Neben der Farbe fällt als Unterschied sogleich die Vielzahl an Fenstern an der Fassade auf.

Auf der dem Schloss zugewandten Seite hat Kaulus die Oberlichter quasi bis auf den Boden verlängert, sodass fünf fast deckenhohe Zugänge zur Terrasse entstanden sind. An der Kopfseite hat sie die Öffnung für die schweren Eisentüren etwas versetzt als Fenster übernommen. Als Ergebnis ist der Innenraum von Licht durchflutet. „Ich wollte einen offenen, fließenden Raum“, erzählt die Architektin. So kommen Eingangsbereich, Wohnzimmer, Esszimmer, Küche und Bibliothek im Erdgeschoss ohne Türen aus.

Betonboden, weiße Wände und schwarze Stahlträger

Wo sich vorher eine Holzkonstruktion mit abgehängten Decken befand, reicht der Raum jetzt bis zum Giebel. Klare Linien, Betonboden und -säulen und hohe weiße Wände erinnern an die industrielle Vornutzung. Die schwarzen Stahlträger unter dem Dach haben den Umbau überlebt. „Das war mir wichtig“, sagt Kaulus, „weil ich wollte, dass der Charakter des Gebäudes bestehen bleibt.“

Die konvexen Dachbinder aus massivem, hellem Holz bilden einen warmen Gegensatz zu Stahl und Beton. Dass sie rund sind, hatte Kaulus zunächst gar nicht beabsichtigt. „Ich bin eigentlich ein eckiger Typ“, sagt die lässig-elegant in schwarzer Hose und schwarzem T-Shirt gekleidete Architektin. Jetzt ist sie froh, denn die Rundung „bricht die Ecken und Kanten des Raumes auf“. In die „Wohnhalle“ hat sie ein zweites Geschoss eingezogen, in dem sich Arbeits-, Gäste- und Schlafzimmer befinden. Von der Galerie aus blickt man ins Erdgeschoss.

Knapp ein Jahr hat es – nach einigen Monaten Planung – gedauert, das alte Heizhaus zu verwandeln. Zwischenzeitlich standen nur noch die Mauern, das alte Dach war abgenommen worden. Das neue Dach hat eine Solaranlage auf dem Dach, für Warmwasser. Wo früher der Heizofen stand, ist jetzt das großzügige Gästebad.

Behutsam mit der Substanz umgegangen

Sie sei so behutsam wie möglich mit der Substanz umgegangen, erklärt Kaulus. „Ich habe versucht zu erhalten, was möglich ist.“ Das äußert sich in Details, wie der raumteilenden Rückwand der Küche. Ein Überbleibsel des Heizhauses, das auch im neuen Haus so aussieht, als könnte es nirgendwo anders stehen.

Von ihrer Vision musste Beate Kaulus 2015 aber erst andere überzeugen. Denkmalschützer, das Bauamt und auch Co-Bauherrin Manja Dochow. Die konnte sich beim Anblick des alten Heizhauses nicht vorstellen, dort einmal zu wohnen. „Mir fehlt die Fantasie“, sagt sie. Doch die Architektin setzte sich durch und im Dezember 2016 konnten beide aus Berlin nach Stahnsdorf ziehen. „Wir sitzen oft noch hier und denken: Das ist unsers“, schwärmt Dochow jetzt.

Kaulus erste Skizzen, die ersten Visualisierungen setzte sie am Ende fast genauso um. 200 Jahre, nachdem David Gilly in Stahnsdorf Schloss und Gartenanlage entwarf, hat sie so das Ensemble in Güterfelde um ein Stück Moderne erweitert – und sich einen Traum erfüllt.

Martin Anton

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