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Frohe und gesegnete Weihnachten sowie besinnliche Festtage wünschen der Verlag und die Redaktion der Potsdamer Neuesten Nachrichten.

© Andreas Klaer

Von Klaus Büstrin: Ins Leben begleitet

Sie wollte weg von zu Hause und steht zwei Stunden mit Wehen auf dem Parkplatz. Niemand hört das Rufen der Schwangeren bis Klaus L. hilft. Eine wahre Weihnachtsgeschichte

Stand:

Ein Kind will auf die Welt. Den Leib der Mutter verlassen. Es ist höchste Zeit. Die Wehen beginnen. Alle fünf bis zehn Minuten. Katharina ist Anfang Oktober in ihrem Auto unterwegs, ganz in der Nähe von Potsdam. Die 24-Jährige möchte fahren, nur fahren. Weit weg von ihrem Zuhause in Leipzig. Dort, wo sie meint, dass die eigenen Eltern wegen der Schwangerschaft ihr Vorwürfe machen würden: Werd bloß nicht schwanger. Schließlich bist du arbeitslos, hast auch keinen Partner. So hat sie Angst, auch vor dem neuen Leben, das sie gebären soll. Und davor, dass sie die große Verantwortung nicht bestehen könne.

Niemand aus der Familie und dem Bekanntenkreis ahnt, dass Katharina bereits ein Kind erwartet. Sie kann ihren Zustand vor den anderen verschweigen und verbergen, ja, in sich selbst verdrängen. Irgendwann ist ihr auch klar: Das Kind will ich nicht.

Die Schmerzen werden stärker. Sie fährt die Autobahnabfahrt A 115 Richtung Berlin und biegt vor der Ausfahrt Babelsberg ab. Dort, auf einem Parkplatz bleibt sie mit ihrem Auto stehen. Das Kind will endlich auf die Welt. In ihrer Not möchte die 24-jährige Katharina nun doch Hilfe erfahren. Ihr Fahrzeug kann sie wegen der Wehen schon nicht mehr verlassen. Sie ruft, sie schreit. Alles was das Auto akustisch und optisch hergibt, setzt die Leipzigerin in Bewegung. Doch niemand auf dem Parkplatz, zu dieser Stunde ist er mit Parkenden durchaus gut besucht, will sie hören. Ein Fahrer steigt aus seinem Bus, geht verwundert um Katharinas Auto und lässt sie allein.

Nach gut zwei Stunden kündigt sich endlich die ersehnte Rettung an. Der Potsdamer Klaus L. hat soeben den Parkplatz erreicht. Er vernimmt das unüberhörbare Rufen der jungen Frau im Auto. Der 40-Jährige erkennt sofort die Sachlage. Mit seinem Handy ruft er die Rettungsstelle in Potsdam an und bittet um Hilfe. Zehn Minuten später ist sie mit dem Krankenwagen bereits im Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ angekommen und weitere 15 Minuten später wird das Kind aus einer komplizierten Steißlage geboren. Es ist ein Junge. 4160 Gramm bringt er auf die Waage. Sie gibt ihm den Namen ihres Vaters: Silvio.

Dr. Bernd Köhler, Oberarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum Ernst von Bergmann, sagt: „Klaus L., dieser beherzte Potsdamer, kam gerade zur rechten Zeit. Sonst wäre ein Schaden oder ein Verlust des Kindes, aber auch der Mutter zu beklagen gewesen sein.“ Katharina wird Klaus L. später ihren Retter nennen. Aber bis zu dieser Erkenntnis ist noch ein Stück Weg zu überwinden. Die junge Mutter will trotz der gut überstandenen Geburt ihres gesunden Babys das Kind nicht annehmen. Sie lehnt es innerlich ab, baut keine Beziehung zu ihm auf, sie nimmt es nicht in die Arme, um das Mutterglück zu genießen. „Das Baby wird im Kinderzimmer versorgt, zunächst ohne Mutter. Katharina meidet das Kind. Sie will es nicht sehen, möchte es auch nicht nach Leipzig mitnehmen“, erzählt der Oberarzt. Er bittet die Krankenhausseelsorgerin Beate Violet um Hilfe. Die Pfarrerin und die Klinik Gynäkologie und Geburtshilfe arbeiten seit Jahren eng zusammen. Einfühlungsvermögen und Zeit geben für Gespräche sind gefragt. Auch die Sozialarbeiterin des Klinikums, Anja Boost, wird hinzugezogen.

„Katharina hat einen schwierigen Prozess durchlaufen“, sagt Beate Violet. Und immer wieder kümmern sich die Krankenhausseelsorgerin, der Oberarzt und die Mitarbeiterinnen der Geburtshilfe intensiv um sie. Beate Violet begleitet die Mutter Tag für Tag, Schritt für Schritt. Sie überzeugt sie, das Kind zu sehen, in den Arm zu nehmen, sich über den glücklichen Ausgang der Schwangerschaft zu freuen. „Am vierten Tag nach der Geburt steht Katharina schließlich am Bett des Kindes. Es hat mich froh gemacht, als ich sah, dass sie lächelt, ihr Herz für dieses kleine Menschenkind öffnet“, erinnert sich Beate Violet. Und die junge Mutter ist erfreut, dass sie sogar Besuch bekommt, von ihrem Retter Klaus L. und dessen Frau. Schließlich telefoniert Katharina mit ihrem Bruder in Leipzig, zu dem sie einen guten Kontakt hat. Er ist natürlich überrascht von der Geburt. Aber er freut sich, sagt der Schwester, dass das Kind und sie in der Familie gut aufgehoben sein werden. „Am fünften Tag nach der Geburt, Katharina hat das Baby nun in ihr Herz geschlossen, kommen die Eltern und holen Mutter und Kind nach Leipzig“, erzählt Bernd Köhler.

Zehn Wochen ist jetzt Silvio alt. Beide, Katharina und ihr Sohn, sind gesund. Sie haben ein Zuhause. Das erste Weihnachtsfest mit dem Neugeborenen kann beginnen. Es wird wie es in einem alten Lied heißt, ihr „Freud und Wonne sein.“

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