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Verein Soziale Stadt Potsdam gründet Einladungsinstitut: Integration geht durch den Magen

Wenn der Ruf des Muezzin laut durch die Gemeinschaftsküche schallt und selbst durch die unterschiedlichsten Sprachen hindurch noch zu hören ist, ist nicht etwa Gebetszeit – sondern ein Handy klingelt. Im Erdgeschoss des Potsdamer Staudenhofs, dort, wo einst ein Studentencafé untergebracht war, finden sich an diesem Montag Menschen aus acht Nationen zusammen, manche mit ungewöhnlichen Handy-Klingeltönen.

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Wenn der Ruf des Muezzin laut durch die Gemeinschaftsküche schallt und selbst durch die unterschiedlichsten Sprachen hindurch noch zu hören ist, ist nicht etwa Gebetszeit – sondern ein Handy klingelt. Im Erdgeschoss des Potsdamer Staudenhofs, dort, wo einst ein Studentencafé untergebracht war, finden sich an diesem Montag Menschen aus acht Nationen zusammen, manche mit ungewöhnlichen Handy-Klingeltönen. Eingeladen wurden sie vom Verein Soziale Stadt Potsdam, der an diesem Nachmittag das Einladungsinstitut Potsdam gründet. Das Motto: „Willkommen, das Essen ist fertig!“

Das Konzept des Einladungsinstituts kommt aus Schweden. Die Idee sei es, Menschen nicht einfach nur in einem Land aufzunehmen, sondern auch in der Gesellschaft, erklärt Mandy Fox vom Verein Soziale Stadt Potsdam. Dass das ein Unterschied ist, machen die Initiatoren klar. In seinem neuen Projekt will der Verein Flüchtlinge, Migranten und Einheimische zusammenführen. „Das geht am besten durch Essen“, sagt Mandy Fox. Das Konzept ist einfach: Mit einem Anmeldebogen kann man Einladungen zum Essen aussprechen oder sein Interesse bekunden. Der Verein vermittelt die Interessenten und will so eine Initiative in Gang bringen. Die interkulturellen Abendessen finden zu Hause, also in vertrauter Atmosphäre statt. Gekocht wird landestypisch und am eigenen Herd.

Gekocht wurde am gestrigen Abend auch, allerdings in der großen roten Gemeinschaftsküche. Und kaum ist das Buffet mit den Leckereien eröffnet und der kurze Einstiegsvortrag vorbei, versteht man das eigene Wort kaum noch. Alle reden wild durcheinander, gestikulieren, erklären, zeigen und tauschen sich aus. Das Essen haben die Flüchtlinge zubereitet. „Man denkt immer, die kosten uns nur Geld, aber sie können uns auch etwas geben“, kommentiert Jean-Marce Banoho die üppigen Speisen. Er leitet das Projekt am Alten Markt mit. Banoho kommt aus Kamerun, wohnt in Berlin, fühlt sich als Potsdamer – und ist seit Kurzem Deutscher. „Es geht darum, keine Parallelgesellschaften zu schaffen“, sagt er. Man wolle hier Menschen zusammenbringen.

Und was ist das da überhaupt auf dem Tisch? Nusssuppe aus Kamerun, Kofta aus Syrien, Injera, äthiopische Teigfladen, und vieles mehr.

Viele Flüchtlinge hätten während ihres Aufenthalts in Potsdam beklagt, nicht leicht mit den Deutschen in Kontakt zu kommen. Einbringen wollten sie sich trotzdem und fragten: Wann geht es los? „Jetzt!“, sagt Gabriele Röder vom Verein Soziale Stadt Potsdam. Jetzt und hier könne man sich kennenlernen und ein Anmeldungsformular in den Briefkasten werfen. Die Formulare liegen aus, auf Deutsch und Englisch, der Kasten steht da.

Der Verein sieht sich mit dem Projekt als Impulsgeber, im Idealfall werde die Idee zum Selbstläufer und integriere sich quasi selbst.

Angewiesen ist man vor allem auf Mithelfer, viele davon sind gekommen. Deutschlehrerin Almuth Püschel vom Verein für Arbeitsmarktintegration und Berufsförderung zum Beispiel. Vorgestellt wird sie von zwei ihrer Schülerinnen, Naglaa und Schwester Najwa Mostafa aus Syrien. Alle sind ausgelassen und gesprächig – egal wie gut ihr Deutsch ist.

Hoda, Alexandra und Jasmin, drei weitere Gäste, gehen auf die „Willkommensklasse“ der Da-Vinci-Gesamtschule in Potsdam-West und haben genaue Vorstellungen von ihrem weiteren Lebensweg. Die jungen Frauen stammen aus dem Iran, Polen und Syrien und wollen Abschlüsse machen, eine Lehre oder studieren. „Wir haben ein Ziel“, sagen sie stolz: Hier bleiben und erfolgreich sein.

In den oberen Geschossen des Staudenhofs finden sich zahlreiche Wohneinheiten, darunter auch 26 Flüchtlingswohnungen, Plätze sind keine mehr frei. Seit Juni 2014 wohnen hier Einheimische und Flüchtlinge Tür an Tür. Buchstäblich sollen hier die Integrationswege verkürzt werden. Die Räumlichkeiten im Untergeschoss, die auch zukünftig für Veranstaltungen genutzt werden sollen, sind mit Geldern der ProPotsdam finanziert.

Ein Problem gibt es noch: Die Sprache. Viele Flüchtlinge werden nicht auf das Angebot aufmerksam, weil sie deutschsprachige Vorankündigungen nicht verstehen. Zukünftig, so Fox, wolle man mehr darauf achten, gezielt in die Einrichtungen wie Sprachschulen zu gehen und immer mehr Menschen aufmerksam machen. Weitere 550 Flüchtlinge werden laut Verein in diesem Jahr noch in Potsdam erwartet. Eine einladende Anlaufstelle gibt es ja dann schon.

Rita Orschiedt

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